CRM CXM CEM

Business-Bingo Teil 1: CRM, CEM und CXM

Wer kennt sie nicht, die liebgewonnenen Abkürzungen, die uns auch gerne im Arbeitsalltag begegnen? Sofern es sich um einen bekannten Fachbereich handelt, sollte man zumindest eine Ahnung haben, was inhaltlich hinter einer Abkürzung steht. Im interdisziplinären Austausch fällt dies dagegen mitunter schon schwerer. Aber auch hier möchte Dir dieser Blog helfen. In loser Reihenfolge werden unter der Überschrift Business-Bingo gängige Begriffe erläutert, die (meist) in einem Zusammenhang stehen. Den Anfang macht wie immer „der Kunde“ und mit ihm die Kurzworte CRM, CEM und CXM.

Kundenfokus als Gemeinsamkeit

Der Kunde ist gemeinsames Element der Abkürzungen CRM, CEM und CXM. Customer-Relationship-Management (CRM) bezeichnet den Kundenfokus, den ein Unternehmen im Rahmen seiner Ausrichtung und der damit verbundenen Prozesse einnimmt. Ziel ist es ein möglichst umfassendes Verständnis bezüglich des Kunden zu erlangen, um dieses anschließend zielgerichtet zu nutzen. CEM und CXM kürzen dagegen beide den englischen Begriff des Customer-Experience-Managements ab, das noch einen Schritt weiter geht. Im Unterschied zu der eher neutralen, prozessualen Sicht des CRM ist das Ziel von CEM/CXM, eine absolut positive und befriedigende Kundenerfahrung zu schaffen, die ultimativ in loyalen Kunden resultiert. Der Unterschied zwischen zufriedenen und loyalen Kunden ist Dir im Übrigen bereits beim Thema Net Promoter Score begegnet.

An einem Beispiel mag dieser feine, aber wichtige Unterschied klarer werden.

Eine Maßnahme im Rahmen des Customer-Relationship-Managements (CRM) könnte sein, Kundenbesuche zu dokumentieren und in Besuchsberichten abzulegen. Darüber hinaus wird vereinbart, diese Berichte gesammelt an einem Ort aufzubewahren, zu dem die unterschiedlichen Funktionen des Unternehmens Zugriff haben. Es geht somit darum, den Kunden kennenzulernen und ein möglichst lückenloses Bild von ihm zu erhalten. Mittels CRM wird festgelegt, welche Daten erhoben und wie diese verarbeitet werden, um eben jenes Bild zu komplettieren. Wie die Kundenerfahrung verbessert werden kann, ist an dieser Stelle dagegen nicht relevant.

Customer-Experience-Management (CEM/CXM) würde dementgegen aktiv die Berichte nach Ansätzen untersuchen, um das Kundenerlebnis entscheidend zu verbessern. Gibt es Beschwerden? Was sind Gründe für die Beschwerden und wie können diese in Zukunft vermieden werden? Dies sind Fragen, die CEM/CXM beantworten, um eine positive Erfahrung des Kunden zu ermöglichen. Die Voraussetzung wird dafür in aller Regel auf der prozessualen Ebene durch das Customer-Relationship-Management geschaffen. Nicht umsonst assoziieren wir mit CRM meist als erstes ein EDV-System, in dem die Kundenbeziehung dokumentiert wird. Auch wenn die Frage nach der geeigneten Software-Lösung nur eine Teilfrage im Themenkomplex CRM ist. Die Themen CEM/CXM und auch CRM werden leider häufig zu schnell auf die Systemfrage reduziert, obwohl es bei diesen Ansätzen in erster Linie um eine Geisteshaltung bzw. die Ausrichtung der Unternehmenskultur geht.

Hand aufs Herz – warum überhaupt Kundenzentrierung?

Die kurze und zugegeben reichlich profitgetriebene Antwort könnte lauten, dass zufriedene und schließlich loyale Kunden deutlich weniger preissensitiv sind. Sie tätigen wiederkehrende Käufe und neigen dazu, in verwandte Produkte und Dienstleistungen zu investieren. Loyale Kunden empfehlen zudem weiter und dienen somit als Multiplikator. Kurz, Zufriedenheit und Loyalität wirken sich positiv auf den Gewinn aus.

Dies ist sicherlich richtig, jedoch nicht die ganze Wahrheit!

Das tiefgreifende Verständnis des Kunden und seines Umfelds unterstützt unter anderem das Produktmanagement bei der Konzeption neuer Produkte und Dienstleistungen. Im Vertrieb – und hier meine ich explizit auch den Innendienst – kann das Aufsetzen der Kundenbrille dazu führen, dass Prozesse wesentlich effizienter und kundenfreundlicher gestaltet werden. Man denke hier an klassische Themen wie „Erreichbarkeit“ oder „Beschwerdemanagement“.

Entscheidend ist jedoch, dass wir heute in einer globalisierten Wirtschaftswelt mit maximaler Transparenz leben und somit jeder Kunde auf Knopfdruck Zugriff auf ein weltweites Angebot hat, das häufig in wesentlichen Teilen vergleichbar ist. Im Laufe der vergangenen Jahrzehnte hat sich der Verkäufermarkt mit seinem Fokus auf Produktion und Vertrieb zu einem Käufermarkt entwickelt. Dies bedeutet in Konsequenz, dass das Verständnis und die daraus resultierende Verbesserung des Kundenverhältnisses eine Möglichkeit der Differenzierung darstellen. Quasi ein Mehrwert, der bei vergleichbarem Produkt- und Serviceportfolio den entscheidenden Kaufanreiz bieten kann. Die damit verbundene Notwendigkeit von CRM und vor allem CEM/CXM liegt auf der Hand.

In der nachstehenden Grafik, die auf dem Standardwerk „Marketingmanagement“ von Christian Homburg basiert, ist diese historische Entwicklung dargestellt. Homburgs Darstellung fasst im Original (vgl. Marketingmanagement, Christian Homburg, 7.Auglage) die Zeit nach 1990 als ein Block zusammen. Mir scheint jedoch gerade im Rahmen dieses Beitrags sinnvoll zu sein, eine zeitliche Trennung zwischen dem Fokus auf den Kunden (CRM) und dem Fokus auf das Kundenerleben (CEM/CXM) vorzunehmen.

Customer-Relationship-Management – Bestandsaufnahme als Schlüssel zum Erfolg

Wie kann ein CRM im Unternehmen aussehen? Häufig wird wie bereits erwähnt alleinig auf die Einführung eines EDV-Systems reduziert. Quasi mit Einführung und User-Training hat dann der wesentliche Schritt zur Kundenorientierung stattgefunden.

Weit gefehlt!

Auch wenn wir bereits über die Notwendigkeit der Kundenzentrierung gesprochen haben, ist es unerlässlich, sich im Unternehmen zuerst bewusst zu machen, warum man sowohl organisatorisch als auch finanziell substantielle Investitionen in den Kundenfokus vornehmen möchte. Vordergründig banal, aber immens wichtig, damit „Kundenzentrierung“ nicht ein Buzzword bleibt, sondern abteilungsübergreifend gelebt wird. Anschließend sollte eine Bestandsaufnahme durchgeführt werden, um die sowohl bereits laufenden Maßnahmen und Prozesse als auch die Berührungspunkte mit Kunden auf Unternehmensseite (die sogenannten Touchpoints) festzuhalten. Denn der Kundenkontakt erschöpft sich nicht nur in der Interaktion mit dem Außendienst, sondern umfasst natürlich auch den Kontakt mit Innendienst, Serviceorganisation, Logistik, Marketing und/oder Produktmanagement, um nur einige zu nennen. Wo werden bereits heute Erkenntnisse über Kunden aufgezeichnet? So kann das Rolodex mit Visitenkarten ebenso als eine einfache Form der Datenspeicherung angesehen werden wie etwa auch ein Besuchs- oder Servicebericht, der auf einem Netzlaufwerk oder in einem Leitz-Ordner abgelegt wird. Eine saubere und umfassende Übersicht der Ist-Situation ist entscheidend für die Einführung oder die Weiterentwicklung eines Customer-Relationship-Managements.

CRM-Systeme – Nutzen und gängige Lösungen

Nach der beschriebenen Bestandsaufnahme wird man mit ziemlicher Sicherheit feststellen, dass Informationen zu Kunden an mannigfaltigen Stellen im Unternehmen erhoben und archiviert werden. Hier liegt auch die Krux. Auf die fragmentierten Daten haben in aller Regel nur bestimmte Personengruppen eingeschränkt Zugriff. Tatsächlich werden diejenigen Zugriff auf ihre Daten haben, die diese auch erheben und archivieren. Beispielsweise könnte der Außendienst Zugriff auf „seine“ Besuchsberichten haben, ein Zugang seitens des Marketings besteht aber nicht unbedingt. Im schlimmsten Fall kann dies sogar Methode haben. Das sogenannte „Herrschaftswissen“ soll dann die eigene Agenda stützen und der vermeintliche Wissensvorsprung wird aktiv verteidigt. Jedem werden hierzu sicherlich Beispiele einfallen – häufig bei Personen zu finden, die gerne von „ihren Daten“ sprechen und dabei geflissentlich ignorieren, dass es im unternehmerischen Umfeld keinen Besitzanspruch des Einzelnen auf die Erkenntnisse aus der Kundeninteraktion gibt.

Aber selbst außerhalb dieses Extrems führt eine fragmentierte Datenlandschaft zu einem weiteren Problem. Dadurch, dass jeder nur einen Teil des Ganzen kennt, liegt das Potential eines 360-Grad-Blicks brach. Ob Kollegen/-innen aus dem Innendienst, denen vielleicht wichtige Informationen aus den letzten Serviceeinsätzen fehlen oder Mitarbeiter/-innen des Produktmanagements und Marketings, die Personas und Kundenempathiekarten füllen möchten, keiner hat einen umfassenden Blick auf den Kunden.

An diesem Punkt setzten CRM-Systeme an, da sie eine Plattform darstellen, in denen Informationen zentral erfasst, zusammengeführt und zugänglich gemacht werden. Der Markt reicht hierbei von Lösungen für kleine und mittelständische Unternehmen bis hin zu äußerst umfangreichen Angeboten, die sich aufgrund Kosten als auch der vorzuhaltenden Ressourcen bei Roll-Out, Training und vor allem kontinuierlicher Betreuung eher an Großunternehmen richten. Das IT-Marktforschungsunternehmen Gartner veröffentlich jährlich seine Einschätzung zu den führenden Lösungen als sogenannten „Magic Quadrant“. Es gilt zu beachten, dass die Auflistung Gartners dabei keinesfalls erschöpfend ist, sondern die eher bekannten Lösungen beinhaltet. Der Markt umfasst dagegen eine schier unerschöpfliche Auswahl weiterer spezialisierter Unternehmen mit ebenso vielen Systemen, die das Customer-Relationship-Management systemtechnisch unterstützen.

Häufig wird man zudem gerade in mittelständischen Unternehmen selbstentwickelte CRM-Lösungen finden, die über die Jahre hinsichtlich Funktionalität und meist auch leider hinsichtlich ihrer strukturellen Komplexität gewachsen sind. Diese werden in einer Vielzahl der Fälle ihren Zweck erfüllen, jedoch geraten sie mit jeder neuen Anforderung und programmiertechnischen Adaption näher an ihre Grenzen. Nicht selten fällt dann die Entscheidung, das bestehende System durch eine performantere Lösung abzulösen und die bisher erhobenen Daten zu migrieren.

Customer-Experience-Management – Neuland für viele Unternehmen

Während die Sammlung und Aufbereitung der Kundeninformation mittels CRM heute in vielen Unternehmen gängige Praxis ist, ist das Verständnis der Kundenwahrnehmung im Sinne des Customer-Experience-Managements vergleichsweise selten verankert. Möglicherweise liegt ein Grund in dem Umstand, dass vielfach CRM und CEM/CXM nicht scharf genug voneinander abgegrenzt werden. Auch auf Anbieterseite ist häufig zu beobachten, dass die Notwendigkeit des Erfahrungsmanagements beschrieben wird, um dann am Ende doch „nur“ ein CRM-System anzupreisen.

CEM/CXM bedeutet, die Kundenerfahrung als Unternehmen an den verschiedenen Touchpoints nachzuempfinden und mit geeigneten Maßnahmen zu verbessern, um Zufriedenheit und Loyalität der Kunden deutlich zu steigern.

Wenn man sich diese Aussage bewusst macht, ist klar, dass es hier nicht um ein IT-System geht. Vielmehr ist es notwendig, sich in die Rolle des Kunden zu versetzen und festzuhalten, welche Erfahrungen in den verschiedenen Prozessen gemacht werden und welche Erfahrung aus Kundensicht wünschenswert wäre. CEM/CXM hat dann zum Ziel, durch geeignete Maßnahmen die Zielerfahrung herzustellen.

Ein Praxisbeispiel für CEM/CXM

Ein Beispiel zur Verdeutlichung: Ein namhaftes Unternehmen in der industriellen Schraubmontage verfügt über eine eigene Servicesparte, die sich unter anderem mit der Reparatur von eingesendeten Werkzeugen befasst. Im Rahmen von Befragungen stellte sich heraus, dass die Kunden die Durchlaufzeit der Reparatur als deutlich zu lang empfanden, was zu einer gewissen Unzufriedenheit führte. Die Kundschaft definierte die Durchlaufzeit als die Zeitspanne zwischen Übergabe des defekten Werkzeugs in den Versand und Erhalt des reparierten Werkzeugs am Arbeitsplatz. Die Kritik sorgte auf Seiten des Anbieters zuerst für Irritationen, da die gemessene Durchlaufzeit niedriger als im bekannten Branchendurchschnitt war. Erst das minutiöse Nachzeichnen der Kundenerfahrung deckte das Problem auf. Zum einen wichen die Definitionen der Durchlaufzeiten voneinander ab. Während der Kunde die Zeitspanne mit dem eigenen Arbeitsplatz als Start- und Endzeitpunkt definierte, maß die Werkstatt die Durchlaufzeit zwischen eigenem Wareneingang und -ausgang. Entscheidender war jedoch, dass es keinerlei Statusmeldungen im Prozess gab, d.h. der Kunde hatte sein Werkzeug „irgendwann“ repariert zurück. Ohne jede Nachricht wurde die objektive Zeitspanne nochmals als deutlich länger empfunden. Ein Lösungsansatz lag somit auf der Hand. Man ging dazu über, Statusmeldungen per Mail an den Kunden zu versenden, sobald das Werkzeug im Wareneingang der Werkstatt eintraf, die Reparatur begann, die Reparatur beendet wurde und das Werkzeug in den Versand gegeben wurde. Somit wurde nicht nur die subjektiv empfundene Zeit verkürzt, sondern es wurde auch für den Kunden offensichtlich, wenn es zu Verzögerungen auf Kundenseite oder bei den Versandunternehmen kam.

Das Kundenerlebnis konnte somit entscheidend verbessert werden, was sich auch in einer deutlich erhöhten Zufriedenheit zeigte.

Wie möchte ich mich als Kunde in meinem Unternehmen fühlen?

Dies ist ein einfaches Beispiel stellvertretend für alle jene Prozesse, die tagtäglich im Unternehmen mit Kundenbeteiligung stattfinden. CEM/CXM ist somit als unternehmensweite Übung und nicht nur als Instrument des Marketings im Rahmen der „Customer Journey“ zu verstehen. Natürlich gehört die Versorgung des Kunden mit den gewünschten Informationen zum für ihn richtigen Zeitpunkt dazu, Content-Marketing ist jedoch nur ein möglicher Baustein unter vielen im CEM/CXM.

Einleitend habe ich behauptet, dass CEM/CXM für viele Unternehmen noch Neuland ist. Ich kann mir vorstellen, dass ich hierfür in 9 von 10 Fällen deutliche Kritik seitens der Unternehmen ernten würde. Ich bin aber ebenso überzeugt, dass auch heute noch oft die deutlich befriedigendere Kundenerfahrungen internen Prozesshürden o.ä. geopfert wird. Wenn man als Unternehmen selbstkritisch ist, darf man sich durchaus fragen, wie oft überhaupt die Kundenerfahrung am Touchpoint nachgezeichnet wird. Wie häufig wird der Kunde hinsichtlich Erfahrung und Zufriedenheit befragt? Wie oft wurden Prozesse neu strukturiert oder Investitionen vorgenommen, um die Erfahrung des Kunden deutlich zu verbessern? Gerade auch hinsichtlich des verbreiteten Irrglaubens, dass Zufriedenheit im Gegensatz zum Return on Investment (ROI) nicht „hart gemessen“ werden kann. Kurz, nach meinen Erfahrungen ist hier noch für viele Unternehmen ein Weg zu beschreiten. Dies ist nicht schlimm, denn auch die Kundenbeziehung unterliegt wie vieles andere einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess. Kritisch wäre nur, nichts zu unternehmen oder das Thema „Kundenzentrierung“ mit der Einführung eines CRM-Systems als erledigt zu betrachten.

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