Das Eisenhower-Prinzip – als man von US-Präsidenten noch lernen konnte

Die nächste Deadline der aktuellen Produkteinführung drückt, mehrere Meetings warten auf Zusage, das Mailpostfach füllt sich und eigentlich müsste man noch am Strategiepapier arbeiten – Alltag im Produktmanagement. Und nicht nur dort. Mit den jeweiligen Aufgaben sicherlich eine Situation, die vielen Kollegen/-innen auch anderer Abteilungen leidvoll bekannt ist. Ein einfaches, aber effektives Instrument, um in der täglichen Aufgabenflut nicht unterzugehen, ist das Eisenhower-Prinzip. Was steckt dahinter und vor allem wie praxistauglich ist dieser Ansatz?

Was ist die Idee dahinter?

Das Prinzip basiert auf einer Aussage des 34. US-Präsidenten Dwight D. Eisenhowers, mit der er selbst einen früheren College-Präsidenten während der zweiten Versammlung des World Council of Churches im Jahr 1954 zitiert hat.

„I have two kinds of problems: the urgent and the important. The urgent are not important, and the important are never urgent.”

Hieraus hat sich das besagte Prinzip entwickelt, das im Wesentlichen aus einer einfachen Matrix besteht, in der eine Achse die Wichtigkeit und eine andere Achse die Dringlichkeit wiedergibt. Die vier Parameter „wichtig / unwichtig“ und „dringlich / nicht dringlich“ resultieren in ebenso vielen Feldern, denen Aufgaben zugeordnet werden. Je nach Zuordnung entscheidet sich, wie mit der Aufgabe am besten verfahren wird. Anders als im vorgenannten Zitat existieren somit durchaus Aufgaben, die wichtig und gleichzeitig dringlich sind.

Man muss nicht alles immer selbst sofort erledigen!

Die Einordnung der Aufgaben führt zu unterschiedlichen Ansätzen in der Bearbeitung:

  • Aufgaben des Typs A sind wichtig und dringlich und sind daher sofort durch einen selbst zu erledigen. Diese Aufgaben besitzen höchste Priorität, wie es z.B. bei kritischen Situationen wie einem Produktrückruf der Fall sein wird.
  • Hinsichtlich der Priorität auf dem zweiten Platz folgen Aufgaben des Typus B. Diese sind wichtig, aber nicht dringlich, man plant und terminiert sie. Auch diese Aufgaben sind selbst zu erledigen. Verliert man sie aus dem Blick, dann werden die Aufgaben zwangsläufig in den Quadranten A wandern und zu unnötigem Druck führen. Ein gutes Beispiel sind meist strategische Überlegungen und Ableitung entsprechender Pläne.
  • Nicht wichtige Aufgabe, die jedoch dringlich sind, müssen nicht unbedingt von einem selbst erledigt werden. Dies bedeutet ausdrücklich nicht, dass alles Unwichtige generell von „irgendjemandem sonst“ erledigt werden sollte, was ein ziemlich egozentrischer Ansatz wäre. Es bedeutet vielmehr, dass diese Aufgaben in der Priorität hinter Typ A und B anstehen und keine enge Begleitung erfordern. Beispiele finden sich nach meinen Erfahrungen im Bereich der Besprechungen, in denen häufig nicht nur die fachlichen Experten zusammenkommen, sondern auch zusätzliche Personen beispielsweise aufgrund Hierarchie eingeladen werden. Ein Teilnahme ohne entscheidende inhaltliche Impulse zu liefern ist nicht empfehlenswert, dennoch ist der Teilnehmerkreis oft deutlich größer als nötig.
  • Gemäß Eisenhower-Prinzip ignoriert bzw. löscht man unwichtige und nicht dringliche Aufgaben. Man sollte meinen, dass diese Art der Aufgaben die Ausnahmen ist. Unzählige Mailschlachten und Kettenmails mit ausufernden Adressaten in CC beweisen das Gegenteil. Ich persönliche ignoriere Mails und Maildiskussionen, in denen ich aus nicht ersichtlichen Gründen in Kopie geführt werde. Vorher gebe ich natürlich einen entsprechenden Hinweis und bitte, mich aus der Kommunikation zu nehmen.

Praxistauglichkeit – absolut gegeben, aber…

Im Alltag hat sich dieser Ansatz sowohl für mich als auch für Mitarbeiter/-innen bestens bewährt. Schon allein die Erkenntnis, dass es durchaus Aufgaben gibt, die man eben nicht erledigen muss, nimmt den Druck in hektischen Zeiten. Eine konsequente Anwendung führt schon schnell zum Gefühl, wieder die Oberhand zu gewinnen. Nach und nach geht die Bewertung in Fleisch und Blut über und der Arbeitsalltag gewinnt fast unbemerkt von allein an Struktur.

Aber, erfahrungsgemäß gibt es einige Facetten, denen man Beachtung schenken sollte.

So darf das Bewerten der Aufgaben nicht selbst zu einer zeit- und raumgreifenden Mission werden. Ein Notizzettel kann ebenso genügen wie eine kleine Exceltabelle oder eine App. Wichtig ist, dass der Umgang schnell und intuitiv geschieht und die Bewertung nicht Stunden in Anspruch nimmt. Hier ist definitiv weniger mehr!

Wie definiert man „wichtig“?

Eine praxisrelevante und berechtigte Kritik am Eisenhower-Prinzip ist, dass es mitunter schwierig ist, „Wichtigkeit“ zu definieren. Ein oft zitierter Ansatz ist es, die Erledigung dahingehend zu überprüfen, inwieweit sie der Zielerreichung dient. Demnach wären Aufgaben, die nichts zur Zielerreichung beitragen, unwichtig. Im umgekehrten Fall darf man sich fragen, was passieren würde, wenn die Aufgabe nicht erledigt wird. Wenn die Antwort hierauf „nichts“ ist, dann ist dies ein starkes Indiz für Unwichtigkeit. Dem ist als grundlegende Regel sicherlich zu folgen, jedoch gebe ich zwei Aspekte zu bedenken.

In Organisationen ist manchmal etwas allein deswegen wichtig, weil es von einer bestimmten Person oder einem Personenkreis adressiert wird. Auch wenn der Zielbeitrag nicht direkt klar ist. Der Vorstand stellt eine Frage, die Priorität ist sofort auf „hoch“ gesetzt und mitunter gilt das gleiche für die Dringlichkeit. Wahrscheinlich genießt die Frage aus Sicht des Vorstandes selbst gar nicht diese Aufmerksamkeit. Auf den einsetzenden Automatismus aufgrund des hierarchischen Gefälles hat dies jedoch meist keinen Einfluss. Dies werden Ausnahmen sein, bei denen ich schlicht zur Akzeptanz rate, zumal wir davon ausgehen dürfen, dass ein Zielbeitrag existiert. Schwierig wird es nur, wenn die Menge der so delegierten Aufträge das Matrixfeld Typ A geradezu explodieren lassen und das Tagesgeschäft in den Hintergrund tritt. Dann sollte man in jedem Fall das Gespräch suchen, mit der Aufgabenübersicht ist man hierfür aber auch bestens präpariert.

Ein anderer Gedanke ist, dass eine Aufgabe für einen selbst durchaus von nachrangiger Bedeutung ist, die Erledigung für jemanden anderen jedoch höchste Wichtigkeit besitzen kann. Wichtigkeit ist nichts Absolutes, was für alle Beschäftigten gleichermaßen gilt. In der betrieblichen Realität ist es vielmehr ein Betrachtungswinkel, den ein Fachbereich und dessen Mitarbeiter/-in einnehmen. Dadurch kann es zu Konflikten mit Schnittstellen kommen. Hier rate ich im Zweifel zum Gespräch bzw. vorab zur Abfrage der Erwartungshaltung. Meine Erfahrung ist definitiv nicht, dass für Dritte immer „alles wichtig und dringlich ist“.

Procrastinators unite! Tomorrow!

Aufgaben, die wichtig, aber nicht dringlich sind, wie beispielsweise strategische Überlegungen oder Vorarbeiten im Planungsprozess, müssen terminiert werden! Es ist äußerst riskant, den Aufgabentypus B ohne verbindliche Planung wachsen zu lassen, da die gesammelten Aufgaben im Zeitverlauf an Dringlichkeit gewinnen werden. Verliert man diese aus dem Sichtfeld, stellt sich schnell eine absolut vermeidbare Überforderung ein. Dies ist nicht nur für den Betroffenen ärgerlich, auch als Führungskraft ist es undankbar, mit einer Situation erst konfrontiert zu werden, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist. Vorausschauende Planung hilft diese Situation für alle zu vermeiden.

Wir neigen dazu, Aufgaben aufzuschieben, die aus unserer Sicht unangenehm oder aufwendig sind. Hier gilt es wachsam zu sein und nicht in die Falle zu tappen, stattdessen andere Themen (am Eisenhower-Prinzip vorbei) vorzuziehen. Das E-Mail-Postfach aufzuräumen und all jene Nachrichten zu lesen, in denen wir in Kopie stehen, mag uns am Ende des Tages das Gefühl geben, „etwas geschafft zu haben“. Tatsächlich haben wir im Zweifel jedoch nur unsere Zeit damit verschwendet, zu löschende Aufgaben künstlich am Leben zu halten. Die eigentlich zu priorisierenden Tätigkeiten haben dagegen wieder etwas mehr an Dringlichkeit gewonnen, der Druck baut sich im Hintergrund weiter auf.

Der bessere Ansatz ist daher, aufwendige Anforderungen in kleinere Teile zu zerlegen und diese konsequent abzuarbeiten. In jedem Fall macht es zu diesem Zeitpunkt mehr Sinn um Hilfe zu bitten, als wenn die Deadline unmittelbar bevorsteht. Zu diesem späten Zeitpunkt wird man nicht nur wenig Verständnis ernten, oft sind Kollegen/-innen aufgrund eigener Planungen nicht so flexibel, als dass sie ihre eigenen Planungen noch ändern können.

Delegieren, wohin delegieren?

Aufgaben, die nicht wichtig, aber dringlich sind, delegiert man nach Möglichkeit. So die Theorie (siehe Quadrant C). Nur was kann man tun, wenn man nicht in der Position ist, Aufgaben an andere zu delegieren? Die Vorschläge zu diesem Thema sind mitunter etwas abenteuerlich und reichen von A wie Automatisieren bis Z wie „dem aZubi zuordnen“.

Ich denke, es geht pragmatischer.

Zum einen kann man „Delegieren“ auch durch „um Unterstützung bitten“ ersetzen. Wie bereits zuvor erwähnt, wird in einem funktionierenden Team niemand Hilfe verwehren, wenn diese mit Vorlauf erbeten wird. Zum anderen kann die Unterstützung auch in anderen Bereichen liegen. Du kannst das Monatsreporting bezüglich des verantworteten Produktportfolios sicherlich selbst händisch aufwendig erstellen. Vielleicht ist es bei den Experten im Controlling jedoch ein Nebenprodukt, dass die Kollegen/-innen gerne im regulären Monatslauf im Vorbeigehen mit erstellen.

Gerade in Unternehmen mit „historisch gewachsenen Prozessen“ findet man Doppelarbeit oder die fachfremde Zuweisung von Aufgaben vor. Einzige Begründung ist oft, dass „wir das eigentlich schon immer so machen“. Hier empfiehlt sich im Rahmen des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) die wiederkehrende Bewertung der Abläufe. Ein Indiz dafür, dass eine Aufgabe in einer anderen Fachabteilung besser aufgehoben ist, ist häufig, dass die Erledigung für diese auch deutlich wichtiger ist und somit dort zum Typus A oder B anstatt zu C zählt. Letztlich darf man aber manchmal auch akzeptieren, dass man viel weniger unwichtige Aufgaben hat als man vielleicht denkt. Dieser Gedanke hat ja auch durchaus etwas Positives!

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