Die BCG-Matrix oder als wir die „Cash Cow“ zu melken lernten…

Der Gründer der Boston Consulting Group, Bruce Henderson, hat Anfang der 70er-Jahre einen anderen Ansatz als das 5-Phasen-Modell gewählt. Statt Zeitverlauf, Umsatz und Gewinn stellte Henderson die Dimensionen „relatives Marktwachstum“ und „relativen Marktanteil“ in den Vordergrund. Mittels dieser Achsen entwickelt er eine aus vier Feldern bestehende Matrix, die noch heute in Unternehmen vielfach Anwendung findet – und sei es nur sprachlich, wenn von „Cash Cows“ oder „Stars“ gesprochen wird.

Aufbau der Matrix

Die Produkte eines Unternehmens werden in diesem Modell entsprechend der Achsenwerte in Quadranten einsortiert, wobei die Größe der Blase normalerweise die Umsatzgröße des Produktes widerspiegelt. Ein Lebenszyklus lässt sich auch in dieser Darstellungsform erkennen, da der Lebensweg eines Produktes idealtypisch die vier Quadranten durchlaufen könnte. Natürlich weicht auch hier die Praxis mitunter von der Theorie ab. So wird ein Produktflop niemals die profitablen Stufen „Star“ oder „Cash Cow“ durchlaufen, sondern direkt im Bereich der „Poor Dogs“ also der Abkündigungskandidaten eingetaktet werden.

BCG-Matrix mit erläuternden Anmerkungen

Um das Modell zu verstehen, ist die Definition des „relativen Marktwachstums“ und des „relativen Marktanteils“ zwingend. Das relative Marktwachstum beschreibt das Wachstum als Zunahme in einem bestimmten Zeitraum im Vergleich zur entsprechenden Vorperiode. Üblicherweise wäre dies z.B. das zusätzliche Marktvolumen im aktuellen Jahr zum Marktvolumen des Vorjahres. Der „relative Marktanteil“ beschreibt dagegen den eigenen Marktanteil im Verhältnis zum Marktanteil des größten Konkurrenten und gibt dadurch den Abstand zum Wettbewerb an. Hier wird normalerweise ein relativer Marktanteil von 1 (der eigene Marktanteil entspricht dem Marktanteil des größten Wettbewerbers) als Schwellenwert gesetzt. Ein Wert kleiner 1 signalisiert Dominanz des Wettbewerbers, während ein Wert größer 1 entsprechend eigene Marktdominanz anzeigt.

Strategische Ansätze in der BCG-Matrix

Neuprodukte stellen typischerweise „Question Marks“ dar. Diese befinden sich in einem wachsenden Markt, bei denen der relative Marktanteil jedoch (noch) gering ist. Die entscheidende Frage ist, ob das Produkt durch Investitionen und marktanteilserhöhende Maßnahmen weiterentwickelt wird, oder ob das Produkt mangels Erfolgsaussicht direkt eingestellt wird. In diesem Zusammenhang spricht man auch von „Selektionsstrategie“.

„Stars“ als wünschenswerte Folge bewegen sich ebenfalls in einem wachsenden Markt besitzen darüber hinaus jedoch aufgrund eines Marktanteils größer als der Marktanteil des größten Wettbewerbs (-produktes) eine dominante Stellung. Das Produkt erwirtschaftet einen positiven Cash-Flow. Hier sind jedoch in aller Regel weitere Investitionen nötig, um diese Position zu halten bzw. auszubauen.

Die „Cash Cows“ besitzen hohe relative Marktanteile, bewegen sich jedoch in langsam wachsenden bzw. stagnierenden Märkten. Aufgrund des hohen Cash-Flows sollte die „Kuh gemolken werden“, was ohne nennenswerte Investitionen möglich ist. Im Unternehmen sind diese Produkte häufig als Selbstläufer bekannt, da hohe Erträge einem geringen Aufwand gegenüberstehen.

Die „Poor Dogs“ kennzeichnen den Lebensabend eines Produktes. „Poor Dogs“ sind durch niedrige relative Marktanteile und stagnierendes Marktwachstum gekennzeichnet. Der Cash-Flow ist neutral oder sogar negativ, so dass hier die Desinvestition angezeigt ist. „Poor Dogs“ sind Abkündigungskandidaten!

Wo liegt der Vorteil dieser Darstellung?  Gibt es auch Kritik?

Zum einen lässt sich mit diesem Modell schnell erkennen, ob die Produktpipeline gesund ist. Würde ein Unternehmen beispielsweise keine oder nur wenige „Question Marks“ besitzen, lässt dies auf eine Unterversorgung mit neuen Produkten schließen, was zu entsprechenden Wachstumsproblemen in der Zukunft führen wird. Auch ein hoher Anteil an „Poor Dogs“ lässt auf nicht gemachte Hausaufgaben im Bereich der Produktelimination schließen. Zum anderen haben wir gesehen, dass die jeweiligen Felder der Matrix unterschiedliche strategische Ansätze benötigen, die sich jedoch logisch direkt aus der Eintaktung ergeben. Dem Produktmanagement wird somit ein einfaches Instrument zur Reflektion des verantworteten Sortiments zur Verfügung gestellt.

Der Charme der einfachen Darstellung fördert zuweilen jedoch auch Missverständnisse bzw. ist Gegenstand von Kritik. So muss in der Diskussion Klarheit zum Begriff des „relativen Marktanteils“ herrschen. Ich habe häufig erlebt, dass Produkte mit einem positiven Deckungsbeitrag schnell als „Cash Cows“ bezeichnet wurden, ohne dass der Wettbewerb bzw. Marktanteil in irgendeiner Form gewürdigt wurden. Ferner ist oft nicht klar, ob der „relative Marktanteil“ auf ein Unternehmen oder ein Produkt bezogen wird. Ich persönlich zähle zu den Befürwortern der produktbezogenen Sicht, da die unternehmensbezogene Sicht bedeuten würde, dass nur der Marktführer „Stars“ und „Cash Cows“ besitzt. Dies wäre jedoch nicht nur unrealistisch, sondern würde bei der Wahl des passenden Strategieansatzes für alle anderen Marktteilnehmer zu suspekten Ergebnissen führen.

Die McKinsey-Matrix baut auf der BCG-Matrix auf, gestaltet diese jedoch wesentlich variabler und differenzierter. Dafür benötigt sie aber auch wesentlich differenzierteren Input als das recht einfache Modell der Boston Consulting Group.

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