VUKA? Schonmal gehört? Zugegeben ein Begriff, der einem nicht täglich begegnet, wobei die Situationen, die durch diese vier Buchstaben beschrieben werden, unser aller Alltag prägen. Was bedeutet also VUKA? VUKA ist ein Akronym und steht für Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität. Seinen Ursprung hat der Begriff in der englischen Schreibweise VUCA (wegen Complexity) im amerikanischen Militär und beschreibt dort seit den 1990er-Jahren die veränderte Situation, mit denen sich das Militär vor allem nach Ende des Kalten Krieges konfrontiert sah. Feindbilder und erst recht die Art und Weise der Kriegsführung hatten sich bereits dramatisch verändert. Auseinandersetzungen mit klar definierten Parteien und Frontlinien waren Ausnahmen. Die Regel waren häufiger asymmetrische Konflikte, in denen sich die beteiligten Parteien hinsichtlich Ausstattung und Strategie deutlich unterschieden. Die Zermürbungstaktik der kleinen Nadelstiche auch in Form des Terrorismus bestimmte zunehmend den militärischen Alltag.
VUKA hat die Welt der Militärtheorie verlassen und wird heute auch verwendet, um die Herausforderungen in einer zunehmend unübersichtlichen (unternehmerischen) Welt zu beschreiben. Doch was verbirgt sich hinter dem Akronym und was hat VUKA auch mit Deiner Welt zu tun?
Volatilität / Volatility
Volatilität lässt sich auch mit schwankend, flüchtig oder schlicht instabil beschreiben. Gemeint ist hiermit in aller Regel die Schwankungsbreite eines Ereignisses, d.h. wie heftig das Umfeld auf ein Ereignis reagiert. Gerne wird der Aktienmarkt zur Verdeutlichung herangezogen, in dem z.B. das Nichterfüllen oder Übertreffen der Analystenerwartung zu erheblichen Ausschlägen des Kurses führen kann.
Unsicherheit / Uncertainty
Auch die Volatilität sorgt dafür, dass Vorhersagen mit größten Unsicherheiten behaftet sind. Die Halbwertzeit von Wissen und erprobten Lösungswegen hat sich immens verkürzt, langfristige Planungen oder Strategien sind in unserer schnelllebigen Welt kaum noch möglich. Es gibt keine Patentrezepte, das „haben wir schon immer so gemacht“ gehört der Vergangenheit an.
Komplexität / Complexity
Komplexität beschreibt die Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Faktoren, die eine einfache „Ursache-Wirkung-Beziehung“ nicht mehr zulassen. Häufig ist sogar ein bedeutender Teil dieser Abhängigkeiten und Einflüssen schlicht unbekannt. Vielfach werden komplex und kompliziert umgangssprachlich synonym benutzt, leider auch von mir. Es besteht jedoch der gewichtige Unterschied, dass ein komplizierter Sachverhalt vereinfacht und aufgelöst werden kann. Für Komplexität ist dies nicht möglich.
Eine mathematische Gleichung lässt sich durchaus vereinfachen, ohne dass sich das Ergebnis verändert. Würde das Vereinfachen oder Verändern das System zerstören oder zu nicht vorhersagbaren Resultaten führen, dann wäre es komplex. Beispiele mögen hierfür Ökosysteme oder der DNA-Strang eines Lebewesens sein.
Ambiguität / Ambiguity
Dieses Wort begegnet den meisten Menschen tatsächlich erst, wenn sie sich mit VUKA beschäftigen. Es beschreibt die Mehrdeutigkeit von Sachverhalten oder Informationen, die sogar im Widerspruch zueinanderstehen können. Ein Beispiel mag die E-Mobilität sein. Ein E-Auto stößt im Gegensatz zum Verbrennungsmotor auf den ersten Blick keine klimaschädlichen Emissionen aus. Betrachtet man jedoch in der CO2-Bilanz die Art des „getankten“ Stroms, der auch heute noch zu einem spürbaren Teil aus der Kohleverstromung stammt, dann bekommt die sprichwörtliche weiße Weste erste Flecken. Nimmt man zudem noch die Produktion der Batterie in die Rechnung auf, verschlechtert sich die Bilanz beträchtlich. Wie gut oder schädlich ist ein E-Auto nun letztlich für die Umwelt? Diese typischen Momente, in denen wir „Und jetzt?“ fragen, sind Sachverhalte, in denen wir Ambiguität begegnen.
Ein „gutes“ schlechtes Beispiel für VUKA
Wir sehen, dass selbst die vier Elemente untereinander in Beziehung stehen und sich sogar teilweise verstärken. Doch noch immer mag die VUKA-Welt sehr abstrakt und theoretisch erscheinen. Für mich hat VUKA in den letzten Monaten durch COVID-19 leider entscheidend an Griffigkeit gewonnen.
Explosionsartige Neuinfektionen in einzelnen Landkreisen aufgrund von sogenannten „Superspreadern“ sind ein anschauliches Beispiel für Volatilität. Die Informationen zur Immunität nach erfolgten Infektionen sind mehrdeutig. Antikörper lassen sich je nach Schwere des Verlaufs nachweisen oder eben nicht nachweisen, was bedeutet dies für das Konzept der Herdenimmunität oder einen Impfstoff? Die Folgen für unseren momentanen Alltag sind bereits vor einer möglichen zweiten Welle komplex. Betreuung von Kindern, die weder in Schule oder Kita gehen können, kann in Konsequenz häufig nur von Eltern geleistet werden. Die sind meist berufstätig, vielleicht sogar in systemrelevanten Berufen. Und wenn nicht? Sind Eltern, die einen Lehrberuf ausüben systemrelevant? Wer betreut diese Kinder? Wie verhält es sich mit Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit und deren Auswirkungen auf die Kaufkraft und das Steueraufkommen? Wenn die Kaufkraft einbricht, dann dürfte dies definitiv Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung haben. Also Gegensteuern mit finanziellen Maßnahmen – nur für diejenigen, die Einkommen verloren haben oder auch für die, die keine Einbußen spüren? Woraus kann dies bei stark rückläufigem Steueraufkommen bezahlt werden? Neuverschuldung scheint ein Weg, aber müssen für Schulden nicht Zinsen bezahlt werden (von der Tilgung ganz zu schweigen)? Werden die Mittel dafür nicht in der Regel über Steuern auf der Einnahmenseite oder Kürzungen auf der Ausgabenseite erzielt? Neben den vielen offenen Fragen, ist es momentan niemandem möglich, eine sichere Vorhersage bezüglich der nahen Zukunft zu treffen, alles in einem Zeithorizont von mehr als zwei Wochen scheint hochgradig unsicher zu sein.
VUCA als Reaktion auf VUCA!?
COVID-19 führt uns drastisch vor Augen, was VUKA bedeutet. Aber auch ohne dieses epochale Ereignis sehen sich Unternehmen schon länger mit Herausforderungen konfrontiert. Globalisierung und Digitalisierung sind nur zwei Phänomene, die das Bewusstsein für VUKA in den letzten Jahren maßgeblich befördert haben. Doch wie kann man mit VUKA umgehen, denn Fatalismus ist keine Alternative?
Eine vielleicht überraschende Antwort ist, dass VUCA eine mögliche Reaktion auf VUCA ist. Hier besteht das Akronym jedoch nun aus den englischen Begriffen Vision, Understanding, Clarity und Agility.
Vision / Vision
Vision bedeutet ein Leitbild oder Ziel zu formulieren, das trotz aller Ungewissheit quasi als Fixstern dient. Es erleichtert den Mitarbeitern die Orientierung und bietet Sicherheit. Im Rahmen des Beispiels COVID-19 können wir die Vision an Leitlinien wie „flatten the curve“ oder an klar messbaren Zielen wie einem „Reproduktionswert kleiner 1“ festmachen.
Verständnis / Understanding
Verständnis ist gerade in komplexen Sachverhalten notwendig. Auch wenn es nicht möglich sein wird, ein vollständiges Bild zu erhalten, gilt es, möglichst viele Informationen aufzunehmen und zu bewerten. Sprich mit den Experten und versuche einen Überblick zu erhalten, aber vertraue vor allem auf das Knowhow der Spezialisten. Als Führungskraft lege ich persönlich immer größten Wert darauf, dass die Fachexpertise bei den Teammitgliedern liegt. Ich erhebe den Anspruch, dass meine Mitarbeiter/-innen auf ihren Gebieten mein Wissen deutlich übertreffen. Wer aus Eitelkeit Personal rekrutiert, dem er sich inhaltlich überlegen fühlen kann, der hat bereits unweigerlich eine Abwärtsspirale hinsichtlich Leistung und Arbeitsklima in Gang gesetzt. Dies ist für mich zumindest in Teilen ebenfalls ein Abgesang auf den Managementtypus, der die komplexesten Sachverhalte auf nur einem Chart erklärt haben möchte. Entscheidungen, die wichtige Details aufgrund dieses Anspruchs ignorieren, werden kaum ihr volles Problemlösungspotential entfalten. Wie immer im Leben gilt es, die Balance zwischen Aufwand und Ertrag zu halten.
Deutschland ist zumindest bisher auch vergleichsweise gut durch die Krise gekommen, da auf Experten wie beispielsweise Prof. Dr. Christian Drosten, Leiter der Virologie an der Charité in Berlin, vertraut wurde. Wer seine Fachleute ignoriert oder sogar ins Abseits stellt, wird unweigerlich mit den Folgen dieser Ignoranz konfrontiert werden. Dies können wir leider momentan nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern auch beispielsweise in Brasilien beobachten.
Klarheit / Clarity
Klarheit vor allem in Kommunikation und Handeln geben wie die oben erwähnte Vision Sicherheit. Aller Komplexität zum Trotz, sind die Fakten klar und eindeutig zu benennen, die in der jeweiligen Situation zur Verfügung stehen. Transparente und verbindliche Absprachen sorgen dafür, dass auch in unsicheren Situationen weiterhin Handlungsfähigkeit besteht. Unverbindlichkeit oder Schwammigkeit, um ja keinen Fehler zu machen, ist eigentlich nicht anderes als Stillstand, der mit hohem Aufwand erkauft wird. Wir könnten als Beispiel die fast schon dadaistischen Phrasen des US-Präsidenten heranziehen, finden jedoch auch Unternehmen, die teilweise widersprüchliche und unverbindliche Strategieansätze formulieren. Ohne einen klar benannten Hafen, weiß man schlicht nicht, wohin man segeln soll.
Agilität / Agility
Volatilität und Unsicherheit verhindern einen langfristigen Plan, der ohne Anpassungen bis zum Ziel Bestand hat. Daher ist es wichtig, flexibel zu bleiben und sich situativen Änderungen anzupassen. Steht dies nicht im Gegensatz zu der geforderten Vision und Klarheit? Für mich nicht, da eine übergeordnete Vision nicht durch mögliche situative Änderungen beliebig verändert werden sollte. Klarheit ist zudem gerade auch dann gefordert, wenn es darum geht, Kurswechsel nicht nur zu formulieren, sondern auch zu begründen. Dieses „Fahren auf Sicht“ zeigt sich in der Corona-Krise u.a. in den Regeln und Maßnahmen, die bei lokalen Überschreitungen der Infektionsgrenzen greifen. Eine veränderte Infektionssituation z.B. durch einen Superspreader, benötigt klare und agile Maßnahmen zur Eindämmung. Die Vision einer flachen Kurve oder sogar einer Corona-freien Bevölkerung bleibt davon unberührt.
Welches Fazit kann ich als Führungskraft ziehen?
Ich denke, es ist wichtig im ersten Schritt zu akzeptieren, dass die (unternehmerische) Welt nicht nach Belieben beherrschbar ist. Es gilt sich klarzumachen, dass gesammelte Erfahrungen und bewährte Rezepte zwar wichtig sind, jedoch angesichts geänderter Situationen kontinuierlich zu überprüfen sind. Die „Basta-Mentalität“ nach dem Motto, dass dies schon immer so gemacht wurde, ist nicht mehr zeitgemäß (wenn sie es denn je war, woran ich persönlich zweifle). Vielmehr gilt es auf die Kompetenz außerhalb der eigenen Person zu vertrauen. Als Führungskraft solltest Du daher für Strukturen sorgen, die einen offenen und kritischen aber gleichzeitig wertschätzenden Meinungsaustausch fördern. Es liegt in Deiner Verantwortung für Klarheit und Sicherheit zu sorgen. Sicherheit bedeutet jedoch nicht, dass möglichst lange an ein einmal gefasstes Vorgehen festgehalten wird, sondern, dass auch notwendige Änderungen verständlich erläutert werden.
Die VUKA-Welt ist Realität, was sich u.a. anhand COVID-19 erläutern lässt. Aber auch weniger dramatische Situationen benötigen heute eine neue und flexible Herangehensweise. Hierfür ist jedoch auch ein neuer Managementtypus notwendig. Der klischeehafte Machtmensch, der top-down durchregiert und denkt, alles zu wissen und zu können, der gehört in der digitalisierten, globalen Welt schlicht der Vergangenheit an. Und das ist auch gut so!

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