Im Artikel zur Produkteinführung hast Du erfahren, dass die Einführung mit der Idee beginnt. Doch was kennzeichnet eine Idee? Der Duden führt als möglichen Begriffsinhalt „den Einfall“ an, dem wir uns problemlos anschließen können. Dieser Einfall muss dabei nicht unbedingt neu sein. Viele Ideen greifen auf altbewährte Muster zurück und wenden diese in neuen Zusammenhängen an. Mir ist wichtig, den Begriff der Idee vom Begriff der Innovation sprachlich zu trennen.
Ideen sind nicht zwangsläufig Innovationen
Das Ziel vieler Teams ist es, eine Innovation einzuführen. D.h. es soll ein Produkt eingeführt werden, das wirklich „neu“ (denn dies meint innovativ) ist. Es soll sich möglichst von anderen Produkten am Markt zumindest in wesentlichen Teilbereichen unterscheiden. Der Vertrieb soll mit einem Produkt ausgestattet werden, das über ein Alleinstellungsmerkmal (Unique Selling Proposition, kurz USP) verfügt. Alternativ kann Innovation auch darin bestehen, dass ein etablierter Ansatz in einem völlig neuen Zusammenhang eingesetzt wird. Beiden Ansätzen ist gemein, dass am Ende bei diesen Produkten und Dienstleistungen über den Mehrwert gesprochen wird. Das Verkaufsgespräch dreht sich eben nicht in erster Linie um den Preis, wie es häufig bei Nachahmerprodukten der Fall ist. Um es jedoch an dieser Stelle klar herauszustellen: Me-too-Produkte sind nichts Negatives, sondern sie funktionieren wunderbar. Man denke an die Vielzahl der Generika in der Pharmazie oder an Handelsmarken im Lebensmittelbereich. Diese Art der Produkte benötigen jedoch eine andere Form des Produktmanagements und Marketings als eben jene Produkte, mit denen sich in innovationsgetriebenen Unternehmen beschäftigt wird.
Innovationsmanagement – wie hätten Sie es gerne? Closed oder open?
Wenn es also darum geht, eine Innovation als Produkt zu lancieren, dann benötigt es einen Prozess, um die Vielzahl von Ideen entsprechend zu bearbeiten. Am Ende möchte man im besten Fall jene als Ergebnis erhalten, die wirklich innovativ sind. Wir fassen diesen Prozess und die verbundenen Maßnahmen unter dem Begriff „Innovationsmanagement“ zusammen. Hierzu gibt es nicht nur Unmengen an Literatur, mittlerweile existieren in Unternehmen Funktionen wie den Innovationsmanager, dessen Aufgabe es ist, zukunftsträchtige Ideen in Projekten voranzutreiben. Gemessen an den Stellenprofilen sind die Grenzen zwischen Innovations- und Produktmanagern fließend, modernes Produktmanagement beinhaltet bis zu einem gewissen Grad zumindest meiner Ansicht nach immer Innovationsmanagement.
In der Literatur trifft man zudem die Unterscheidung zwischen „Closed Innovation“ und „Open Innovation“ an.
„Closed Innovation“ beschreibt einen Innovationsprozess, der von der Idee bis zur Entwicklung ausschließlich im Unternehmen durchgeführt wird. Höchste Ansprüche an Mitarbeiter und F&E setzen eine entsprechende Kapitalausstattung voraus. Die Ergebnisse werden vor dem Wettbewerb u.a. durch Patente geschützt, um den Wettbewerbsvorteil und die damit verbundene Amortisation der Entwicklungskosten zu gewährleisten.
Als Gegenpol setzen „Open Innovation“ bewusst auf Einflüsse von außerhalb des Unternehmens. Kollaborationen mit Universitäten, Kunden oder auch Lieferanten begleiten den kompletten Prozess. Hieraus ergibt sich zwar weder ein Verzicht auf F&E noch auf bestens ausgebildete Mitarbeiter, jedoch werden bewusst wesentliche Teile von externen Partnern bezogen. Daraus folgt natürlich auch eine gewisse Transparenz in der Entwicklung gegenüber Kunden und Wettbewerb, die in Richtung Kunden durchaus gewollt ist und sich Richtung Wettbewerb nicht gänzlich vermeiden lässt.
Der Alltag mischt Open und Closed Innovation
Die Bedeutung von „Open Innovation“ hat in den letzten Jahren stark zugenommen, so dass wir heute in der Mehrheit der Unternehmen einen Mix aus beiden Ansätzen finden. Während die Zusammenarbeit mit Hochschulen oder anderen Forschungseinrichtungen mittlerweile die Regel ist, etablieren sich zunehmend auch alternative Modelle. Die Gründung von Abteilungen in Unternehmen, die sich mit der Betreuung von Start-Ups beschäftigen oder sogenannte “Hackathons“ organisieren, nimmt stetig zu. Laut dem 7. Deutschen Startup Monitor der Firma PwC kooperieren bereits 2 von 3 deutschen Startups mit etablierten Unternehmen. Als Beispiel für ein Unternehmen, das diesen Ansatz institutionalisiert hat, kann neben vielen anderen die „Grow Platform“ des Bosch-Konzerns dienen, die seit 2012 aktiv ist.
Innovationsmanagement in der Praxis
Unabhängig vom Grad der Kooperation lassen sich nach meinen Erfahrungen die folgenden wesentliche Phasen im Innovationsmanagement identifizieren.

Die Ideenfindung als kreativer Akt bildet den Ausgangspunkt. Wie bereits beschrieben können Ideen überall entstehen. Sie müssen nicht notwendigerweise neu sein, sollten jedoch zumindest Bekanntes in einen neuen Zusammenhang stellen, um zur Innovation zu werden. Innovations-Gurus wie Guy Kawasaki verneinen, dass Kunden zukunftsträchtige Ideen liefern. Man denke an Henry Ford, dessen Kunden sich im Zweifel schnellere Pferde gewünscht hätten.
Ich bin jedoch anderer Meinung.
Kunden können sehr wohl entscheidenden Input liefern, wir müssen nur lernen, die richtigen Fragen zu stellen. Wir werden selten verwertbare Aussagen auf die Frage bekommen, welche bisher unbekannten, bahnbrechenden Neuerungen aus Kundensicht zu schaffen sind. Fragen wir jedoch, welche Faktoren unsere Kunden erfolgreich machen oder welche Störfaktoren sich in ihrem Geschäft ergeben, dann erhalten wir zumindest Anhaltspunkte bezüglich der Richtung, in der wir uns bewegen sollten. Die besten Ideen zeichnet aus, dass sie einen Mehrwert schaffen und somit von Bedeutung sind. Eine Idee direkt darauf zu gründen, dass mit dem späteren Produkt Geld verdient werden muss, wird in diesem frühen Schritt dazu verleiten, nur Altbekanntes zu kopieren. Das Wichtigste ist jedoch, ein offenes Klima für Ideen zu schaffen. In dieser frühen Phase kann und sollte alles geäußert werden. Der erste Filter folgt in der nächsten Stufe.
Der erste Filter
In der Phase der Qualifizierung & Priorisierung werden die Ideen weiter beschrieben. Worum geht es genau? Welcher Herausforderung wird begegnet oder besser, worin liegen Mehrwert und Bedeutung?
Ich lernte vor einiger Zeit eine Führungskraft im Produktmanagement kennen, die auf die Frage nach ihren Bewertungskriterien ehrlich mit „Bauchgefühl“ geantwortet hat. Das berühmte Bauchgefühl mag zu einer gewissen Trefferquote führen, zumal unbewusst auch hier ein Kriterienkatalog angelegt wird. Das Problem ist jedoch, dass dieser unbewusste Katalog zum einen intransparent und zum anderen selten konsistent ist. Dies führte auch für die besagte Führungskraft zu dem Problem, dass sie häufig mit Enttäuschung der Ideengeber (meist Vertrieb) bei Ablehnung konfrontiert wurde. Es war den Impulsgebern schlicht nicht klar, aus welchen Gründen ein Einfall nicht oder doch weiterverfolgt wurde. Gemeinsam haben wir daher einen kurzen Kriterienkatalog erarbeitet, der einfache Fragen zwecks Qualifizierung stellte:
- Worin besteht die Innovation (Beschreibung und Mehrwert)? USP vorhanden?
- Wie kompliziert ist die Umsetzung?
- Ist der Erfolg skalierbar?
- Wie weit ist die Idee von der eigenen Kernkompetenz entfernt?
- Sind Partnerschaften denkbar?
- Wie intensiv ist der Wettbewerb?
- Wie schätzen wir Aufwand und Ertrag überschlägig ein?
Man hätte noch viele weitere oder auch gänzlich andere Fragen stellen können. Uns war im beschriebenen Fall vor allem wichtig, dass der Kriterienkatalog, der zur Bewertung angesetzt wurde, öffentlich und nachvollziehbar war. Es sollte den Ideengebern klar werden, dass eben nicht alleinig ein Gefühl bestimmt, sondern dass objektive und konsistente Kriterien angelegt werden.
Es war nicht immer leicht, Antworten zu bekommen. Jedoch reichten Reflexion und zumeist grobe Einschätzungen aus, um auch ein erstes Gefühl für die Priorisierung zu bekommen. Nicht alle Einfälle können und sollten gleichzeitig weiterverfolgt werden, was eine Reihenfolge für die weitere Prüfung notwendig macht. Zudem verengt sich der Innovationstrichter, da bereits in diesem frühen Stadium Einfälle identifiziert werden, die nicht weiterverfolgt werden, da sie beispielsweise keinerlei Mehrwert bieten. Auch hinsichtlich der Priorisierung bieten sich verschiedene etablierte Techniken an, die von der Mehrheitswahl („jeder vergibt drei Punkte“) bis zu komplexen mathematischen Modellen reichen. Wir benutzten ein einfaches Scoring-Modell, in dem vorgegebene Merkmalsausprägungen wie etwa „starker Wettbewerb“ oder „kein Wettbewerb“ mit Punkten bewertet wurden. Aus der Summe der Punkt ergab sich folglich die Reihenfolge – sehr einfach und zielführend.
Markt und Machbarkeit als weitere Filter
In der nächsten Phase hat sich eine vertiefte Prüfung von Markt und Machbarkeit als sinnvoll erwiesen. Ansätze, die innovativ sind, jedoch auf keine Nachfrage treffen würden, sind schlicht unsinnig. Und nicht alles, was theoretisch denkbar ist, ist auch praktisch machbar. Wichtig ist zu betonen, dass es hier weiterhin um die Bewertung und nicht um die Umsetzung geht! D.h. das Ergebnis dieser Phase sollte eine klare Vorstellung hinsichtlich des relevanten Marktes (inklusive konkurrierender Anbieter) und der Möglichkeiten der Umsetzung sein.
Diejenigen Ansätze, die nun noch im Rennen sind, sind zur Entscheidung vorzubereiten. Die Wahl fällt traditionell auf die Form des Business Cases. Es kann aber auch je nach Unternehmensphilosophie ausreichend sein, die Entscheidung aufgrund eines „Sales-Pitches“ herbeizuführen. Da in der unternehmerischen Wirklichkeit nicht alle Vorlagen positiv entschieden werden, erfolgt auch hier ein weiteres Mal ein Aussortieren.
Pilotierung strengstens empfohlen
Natur und Umfang der Innovation entscheiden meist darüber, ob vor der eigentlichen Umsetzung im Sinne einer Produkteinführung eine Pilotierung erfolgt. Dies wird meistens der Falls sein, zumal sich hieraus aufgrund vorher nicht absehbarer Komplikationen durchaus ergeben könnte, von einer Serieneinführung abzusehen. Auch an dieser Stelle verjüngt sich somit der Trichter. Bei der Erstellung eines Prototyps handelt es sich um ein Projekt. Auf die klassischen Themen des Projektmanagements wird hier nicht eingegangen, ich würde einzig hervorheben wollen, dass eine Rückmeldung ausgewählter Kunden meiner Meinung nach ein absolutes Muss ist! Der Prozess des Innovationsmanagements kann noch so geschlossen sein, ohne Test der Kundenakzeptanz ist die Gefahr groß, einen Flop zu kreieren. An andere Stelle habe ich bereits auf das „Museum of Failure“ aufmerksam gemacht, das entsprechende Beispiele auch im Rahmen einer virtuellen Tour zugänglich macht.
Am Ende des Prozesses steht somit ein Produkt (oder Dienstleistung) mit innovativem Charakter, das technisch umsetzbar ist und auf ein ausreichend großes Potential im relevanten Markt trifft.

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