Wenn es ein Thema im unternehmerischen Alltag – und somit auch im Produktmanagement – gibt, über das viel geredet aber zu dem vergleichsweise wenig umgesetzt wird, dann ist es das Thema der Erfolgsmessung anhand von Zahlen, Daten und Fakten. Jedem sind die „Key Performance Indicators“ vor allem unter der Abkürzung KPI ein Begriff. Schaut man in den Unternehmen zentrale Funktionen wie beispielsweise das Produktmanagement genauer an, wird man überraschend oft feststellen, dass dort die Erfolgsmessung, wenn überhaupt mit nur sehr vagen Ansätzen vollzogen wird. Oft wird der Umsatz in diversen Varianten ausgewertet, ohne dass eine Verbindung zum Unternehmenserfolg hergestellt wird. Dies ist bei Key Performance Indicators anders. Jedoch was sind KPI eigentlich und wo werden sie erhoben? Welche sollten dem Produktmanagement zur Verfügung stehen? Fragen, auf die dieser Blogbeitrag einige Antworten geben möchte.
Das Key und die Performance in KPI
Was ist eigentlich ein Key Performance Indicator? Die Onlineausgabe des Gabler Wirtschaftslexikons definiert wie folgt:
„Mit dem engl. Begriff key performance indicators werden in der Betriebswirtschaftslehre allg. Kennzahlen bezeichnet, die sich auf den Erfolg, die Leistung oder Auslastung des Betriebs, seiner einzelnen organisatorischen Einheiten oder einer Maschine beziehen.“
Gabler Wirtschaftslexikon
Auch in dieser Definition klingt die wesentliche Herausforderung an. KPI werden häufig mit Kennzahlen gleichgesetzt, obwohl es einen markanten Unterschied gibt, denn KPI sind auf Erfolg bzw. Zielerfüllungsgrad ausgerichtet. Sowohl die Bestandteile „Key“ (Schlüssel) als auch „Performance“ (Leistung) sind durchaus wörtlich zu nehmen. Eine Kennzahl ist dagegen eine Maßzahl, die dazu dient, einen Zustand messbar zu machen. Der Gedanke der Zielerfüllung ist nicht notwendigerweise vorhanden.
So ist die Unternehmensgröße ausgedrückt in „Anzahl Mitarbeiter“ eine beliebte Kennzahl in Unternehmensportraits, sie ist jedoch definitiv kein KPI, da sie keinerlei Hinweis auf den Erfolgsbeitrag oder den Erfüllungsgrad eines Ziels gibt. Ein Unternehmen mit 1.000 Mitarbeitern ist natürlich eben nicht unbedingt erfolgreicher als ein Unternehmen mit 100 Mitarbeitern. Anders sieht dies dagegen bei der „EBIT-Marge“ als Verhältnis von EBIT zu Umsatz aus. Da unternehmerisches Handeln auf Gewinnerzielung ausgerichtet ist, ist ein Unternehmen mit einer EBIT-Marge von 20% diesem Ziel naturgemäß näher als ein Unternehmen mit einer EBIT-Marge von beispielsweise 5%, da ersteres mit jedem erlösten Euro wesentlich mehr Gewinn realisiert. Somit liegt hier ein KPI vor, der den Erfolgsbeitrag misst. Erläuterungen zu EBIT und anderen wichtigen KPI findest Du weiter unten in diesem Beitrag.
Wer ist Adressat für KPI?
Die Antwort ist simpel: Jeder, der daran interessiert oder dazu aufgerufen ist, den (seinen) Beitrag zum Unternehmenserfolg zu messen. Dies trifft naturgemäß nicht nur Entscheider, den Vertrieb oder das Marketing, sondern auch Abteilungen wie das Personalwesen. Diese haben zwar weniger unmittelbaren Einfluss auf den finanziellen Unternehmenserfolg, dafür aber beispielsweise großen Einfluss auf die Organisationsentwicklung. Und auch hier gibt es Ziele, deren Erfüllungsgrad zu messen wäre.
Da sich dieser Blog in erster Linie an Mitarbeiter/-innen im Produktmanagement und Marketing wendet, möchte ich die Wichtigkeit besonders betonen. In meiner Welt versteht sich ein moderner Produktmanager als Geschäftsführer bzw. Unternehmer seines verantworteten Portfolios. Sein Ziel ist es, seinen Verantwortungsbereich so profitabel wie möglich zu gestalten. Dieser Anspruch bildet zusammen mit der für mich ebenso wichtigen Kundenzentrierung die Basis seines Tuns. Denn nur profitablen Unternehmen ist es auch langfristig möglich, Kunden in ihrem Geschäft mit Lösungen zu unterstützen. Dies bedeutet jedoch auch, dass KPI eine wesentliche Rolle im Alltag des Produktmanagements spielen müssen. Wie entwickeln sich welche Produkte? Wo existieren Ladenhüter, die es zu eliminieren gilt? Welche Kundengruppen und Vertriebskanäle sind profitabler als andere? Welche Segmente, Kundengruppen etc. entwickeln sich bisher über- oder unterdurchschnittlich? Alles Fragen, die mithilfe von geeigneten KPI beantwortet werden können.
Aufgrund Erfahrungen und Rückmeldungen aus einer Vielzahl von Gesprächen scheint dieses Thema in der Realität jedoch deutlich öfter diskutiert als umgesetzt zu werden. Während die Größe „Umsatz“ fast jedem im Unternehmen zugänglich ist und für allerlei Themen wie z.B. als Grundlage von Vertriebszielen oder als Basis der variablen Vergütung verwendet wird, ist der Zugang zur Deckungsbeitragsrechnung oder Gewinn- und Verlustrechnung streng limitiert. Häufig sind diese nur der Führungsebene zugänglich, die diese Informationen zumindest periodisch in internen Veröffentlichungen kommentiert verteilt. Zwischen diesen beiden Polen geschieht indes jedoch wenig. Fragt man nach der Erfolgsmessung einzelner Abteilungen oder gar nach einem „KPI-Tree“ (hierzu gegen Ende des Artikels mehr), wird die Frage entweder mit besagten Umsatzstatistiken oder mit dem Verweis beantwortet, dass der Erfolgsbeitrag „eher mittelbar und überhaupt schlecht messbar ist“.
Warum ist dies so?
Die Antwort ergibt sich meines Erachtens, wenn man nach den Quellen der KPI fragt.
Woher bekomme ich „meine“ KPI?
Der wesentliche Teil der Kennzahlen, und dies schließt die erfolgswirksamen ein, wird im Controlling erhoben. Dies ist nicht überraschend, da die Kernaufgabe des Controllings die Planung, Steuerung und Kontrolle der Unternehmensbereiche ist. Je granularer die Daten in diesem Bereich vorliegen, umso flexibler ist das Unternehmen in der Ausgestaltung der KPI. Zumindest derer, die einen finanzwirtschaftlichen Hintergrund haben. Ein Produktmanagement, das für sich den Deckungsbeitrag auf Produktebene als KPI definiert hat, ist interner Kunde des Controllings und beauftragt dieses hinsichtlich der Bereitstellung. Das Produktmanagement erhebt die Daten somit nicht, sondern analysiert und verarbeitet diese im Rahmen der Produkt- und Unternehmensstrategie.
Mir ist dieser Unterschied wichtig, da Produktmanager/-innen noch häufig hören, dass das „Monitoring aus dem Produktmanagement kommen muss“.
Jein, die Anforderung und Konzeption definitiv, die Bereitstellung kann jedoch nur durch denjenigen erfolgen, der die Daten erhebt und verdichtet. Ich hatte im Laufe der Jahre mit einem Unternehmen zu tun, dass von seinem Produktmanagement dezidierte Analysen der Zielsegmente auch hinsichtlich genannter Kennzahlen verlangt hat. Jedoch waren nur ca. 20% des Umsatzes mit einem eindeutigen Segmentcode besetzt, 80% des Umsatzes waren dagegen mit dem Code „unbekannt“ oder schlicht gar nicht belegt. Wie soll der Produktmanager auf dieser Basis ein verlässliches Bild zeichnen? Gleiches gilt für die Profitabilität des Produktprogramms. Wenn kein dezidiertes Produktcontrolling betrieben wird, dann wird sich der Profitabilität einzelner Produkte bestenfalls mithilfe von Verteilungsschlüsseln angenähert. Diese Unschärfe wird jedoch möglicherweise zu Fehlentscheidungen beispielsweise im Rahmen von Produktabkündigungen führen.
Aber das Controlling stellt nicht als einzige Abteilung KPI zur Verfügung. Das Marketing ist ein weiterer Bereich, der eigenständig KPI erhebt und verarbeitet, da es insbesondere im Onlinemarketing direkt auf Analysetools zugreift. „Conversion Rate“, „Bounce Rate“ oder „Session Duration“ werden für die Onlinepräsenz der Unternehmen genauso wie für diesen Blog im Hintergrund erhoben und im Unternehmen zur Verfügung gestellt. Auch mögliche KPI aus dem Offlinemarketing wie z.B. die Anzahl der Messebesucher oder die Reichweitenmessung von Anzeigen werden direkt vom Marketing selbst oder von Dritten, die durch das Marketing gesteuert werden, erhoben.
Zuletzt würde ich noch die Bereiche Produktion und Logistik nennen wollen, die ebenfalls KPI wie etwa OEE (Overall Equipment Effectiveness), Ausschussraten, Umschlagshäufigkeiten oder Kennzahlen bezüglich der Lieferquote bereitstellen. Voraussetzung ist jedoch immer eine performante IT-Lösung, die die Erfassung und Verarbeitung der zugrundeliegenden Transaktionen erfasst. In der Produktion handelt es sich hierbei um sogenannte Manufacturing Execution Systems (MES). Diese bildeten historisch gesehen auch die Keimzelle der heutigen ERP-Systeme (Enterprise Ressource Planning), wie sie beispielsweise von SAP vertrieben werden. So wurde mit Beginn der 80er-Jahre begonnen, bisher voneinander losgelöste Systeme durch integrierte Module umfassender IT-Lösungen zu ersetzen. Das MES stellte dabei den unternehmenskritischen Ausgangspunkt dar, um den die Wertschöpfungskette mit weiteren Modulen (z.B. in den Bereichen Einkauf oder Logistik) ergänzt wurde.
Die Schattenseiten dynamischen Wachstums
„Gewachsene IT-Systeme“ sind meines Erachtens auch die Ursache für die oben genannte Feststellung, dass Unternehmen auch heute noch häufig hinsichtlich der Erfolgsmessung hinter den Möglichkeiten und vor allem dem eigenen Wunsch zurückbleiben.
Vor allem im Mittelstand aber auch in Konzernen haben sich IT und Unternehmensprozesse oft langsamer als das Geschäft selbst entwickelt. Unternehmen versuchten als Folge, dem dynamischen Wachstum mit allerlei Zusatzprogrammierungen und Workarounds Rechnungen zu tragen – die Systemlandschaft wurde quasi „zurechtgebogen“. Als Konsequenz hat sich eine häufig schwer durchschaubare Struktur von Wechselwirkungen zwischen teilweise missbräuchlich genutzten Feldern und zusätzlichen Applikationen ergeben, die mittlerweile ein enges Korsett hinsichtlich der Auswertbarkeit bilden. Einige Unternehmen begegnen diesen Zwängen mit dem kompletten Neuaufbau als Mega-Projekt, den aber Mittelständler aufgrund Kosten und Ressourcenbeanspruchung meist kaum stemmen können. Folglich verfahren diese notgedrungen weiter reaktiv – mit entsprechenden Grenzen auch für die Definition und Erhebung notwendiger KPI.
Der gordische Knoten wird wahrscheinlich am ehesten durch eine Kombination aus einer konsequenten Entschlackung und Standardisierung unternehmensinterner Prozesse und der Nutzung von cloudbasierten Angeboten durchtrennt werden können. „Software as a Service“ (SaaS) entlastet Unternehmen zwar um Investitionen und Kosten aufgrund Installation und Betrieb, bedeutet jedoch auch, dass kaum unternehmensspezifische Anpassungen möglich sind, was wiederum genannte Standardisierung zur Voraussetzung macht. Meiner Ansicht nach ist dies jedoch die einzige Möglichkeit, um aus dem engen Korsett gewachsener Strukturen auszubrechen, ohne riesige Investitionen in einen Neuaufbau zu stecken.
Ausgewählte KPI im Produktmanagement
Unabhängig von systemrelevanten Restriktionen möchte ich Dir im Folgenden einige KPI vorstellen, die ich zu einem Grundkanon für das Produktmanagement zählen würde. Solltest Du in Deinem Unternehmen auf diese Zugriff haben, bist Du für Deine Rolle bestens gerüstet. Beachte jedoch auch, dass die Sinnhaftigkeit eines KPI wesentlich von zwei Fragen abhängt:
- Warum soll dies gemessen werden?
- Welche Folgen würden sich bei Änderungen ergeben?
Kennzahlen, die entweder kaum jemanden interessieren oder die keine Relevanz für den unternehmerischen Erfolg besitzen, sind weder KPI noch sollten sie generell erhoben werden. Anstatt ausufernde Berichte zu erschaffen, ist es sinniger, einige wenige KPI engmaschig zu erfassen und Energie darauf zu verwenden, entsprechende Schlüsse zu ziehen und Aktionen abzuleiten. Ich empfehle, sich je Bereich auf vier bis fünf Indikatoren zu beschränken. Wenn diese KPI insofern ineinandergreifen, als dass sie jeweils den Beitrag zu den übergeordneten Unternehmenszielen messen, umso besser.
Umsatz – die Kontroverse gleich zu Beginn
„Umsatz“, also das Produkt aus Preis und Menge, gilt als derjenige KPI schlechthin, der wirklich von jedem erhoben und verarbeitet wird. Selbst als Einzelunternehmer im Nebenerwerb ist die Feststellung der Einnahmenseite Pflichtübung. Dementsprechend wird Umsatz in allen erdenklichen Varianten wie beispielsweise pro Produkt, Kundengruppe oder Segment ausgewertet. Umsatzprognosen für die kommenden drei bis fünf Jahren bilden zudem meist die Ziellinie bei Produkteinführungen, gegen die die tatsächliche Entwicklung bewertet wird. Umsatz nach Altersgruppen der Produkte, zeigen welche Rolle Neuprodukte (z.B. Einführung in den letzten zwei Jahren) hinsichtlich der Einnahmen spielen. Umsatz ist somit eine Größe, um die niemand im Monitoring herumkommt.
Dies ist unkritisch, solange man sich der begrenzten Aussagekraft der KPI „Umsatz“ bewusst ist. Umsatz ist eben auch „nur“ das Produkt aus Preis und Menge und gibt daher keinen Hinweis auf die Profitabilität. Man kann zwar keinen Gewinn ohne Umsatz machen, jedoch ist es ohne weiteres möglich, enormen Umsatz ohne jeden Gewinn bzw. mit Verlusten zu erwirtschaften. Durchschnittlich 20.000 Insolvenzen pro Jahr in Deutschland bezeugen dies.
Ich persönlich stehe somit auch Umsatz als vertrieblicher Steuerungsgröße äußerst kritisch gegenüber, da dies häufig zu vermeidbaren Konflikten mit dem Produktmanagement führt. Der am Umsatz gemessene Vertrieb möchte das Produkt X für Kunden Y eingeführt wissen, weil hierdurch bereits im ersten Jahr 40.000 € Umsatz möglich sind. Der Produktmanager ist nicht überzeugt, weil nach Kalkulation am Ende kein Gewinn erzielt wird und er als „Mini-Geschäftsführer“ das Ziel eines profitablen Portfolios verfolgt. Die Positionen sind dann meist recht unversöhnlich. Am Umsatz gemessene Vertriebsorganisationen neigen zudem zu einem teilweise recht unkritischen Umgang mit Rabatten, was zu enormen Verwerfungen hinsichtlich der Profitabilität führen kann.
Als Fazit empfehle ich „Umsatz“ für Strukturbetrachtungen und als allgemein akzeptierten Indikator für Wachstum. Mach Dir jedoch unbedingt klar, dass Umsatz nichts über den Erfolg im Sinne von Profitabilität aussagt. Du solltest daher unbedingt immer eine weitere Größe zusätzlich betrachten, die eben dies ermöglicht.
Rohertrag und Rohertragsmarge
Der Rohertrag ist ein erster Schritt in Richtung Bewertung der Profitabilität und kann als grober Indikator dienen. Der Rohertrag bezeichnet die Differenz zwischen Umsatz und dem Wareneinsatz / Materialkosten, die in das Produkt einfließen. Die Rohertragsmarge bezeichnet das Verhältnis von Rohertrag und Umsatz. Handelswaren besitzen meist eine geringere Marge als Zwischenprodukte, die im eigenen Produktionsprozess noch umfangreich veredelt werde.
In der Abbildung findest Du eine mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung für ein fiktives Sortiment, in der auch der Rohertrag ausgewiesen wird. Man erkennt, dass die Aussagekraft sehr begrenzt ist, da wichtige und auch klar dem Produkt zuzuordnende Kosten noch nicht erfasst werden. Daher würde ich Rohertrag und -marge nicht in ein Reporting aufnehmen, sondern direkt den (einen) Deckungsbeitrag als KPI vorziehen.

Deckungsbeiträge als zentraler KPI
Der Deckungsbeitrag (contribution margin) ist im Vergleich zum Rohertrag ein essenzieller KPI, der zum Standardkanon des Produktmanagements gehören sollte. In welcher Tiefe dieser zur Verfügung steht hängt wie oben bereits erwähnt vom Aufbau des Produktcontrollings ab.
Der Deckungsbeitrag 1 ist als Differenz der Umsatzerlöse und der variablen Herstellkosten definiert, d.h. er berücksichtigt neben den Kosten für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe auch beispielsweise Fertigungslöhne. Der Deckungsbeitrag 1 gibt somit an, welchen Beitrag das Produkt zur Deckung der Fixkosten leistet. In einer einstufigen Deckungsbeitragsrechnung werden von der zuvor summierten Deckungsbeiträge die Fixkosten en bloc abgezogen, die mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung splittet die Fixkosten wie in der Abbildung dargestellt nach Kostenblöcken auf.
Der Deckungsbeitrag 1 in Summe oder pro Stück deckt direkt Herausforderungen im Portfolio auf, da eine sehr geringe Marge oder ein sogar negativer DB keinen oder zumindest keinen nennenswerten Beitrag zur Fixkostendeckung leisten. Diese Produkte sind mit Fokus auf mögliche Gegenmaßnahmen oder Abkündigung zu prüfen. Daher ist der Deckungsbeitrag neben dem obligatorischen aber beschränkt aussagekräftigem Umsatz ein Muss im Reporting des Produktmanagements. Wie für den Umsatz angesprochen solltest Du auch den Deckungsbeitrag nach verschiedenen Dimensionen wie Kundengruppen o.ä. auswerten, um Verwerfungen in einzelnen Clustern auf die Spur zu kommen.
EBIT und EBIT-Marge
Das EBIT (earnings before interest and taxes) beschreibt das Unternehmensergebnis vor jeglichen Zinsen oder Steuern und ist somit der zentrale KPI, um den Unternehmenserfolg zu beschreiben. Ausgedrückt als Marge (EBIT/Umsatz in %) wird auch der Vergleich innerhalb und außerhalb von Branchen ermöglicht. Da sich das EBIT nach Abschreibungen ergibt (anders als EBITDA – earnings before interest, taxes, depreciation and amortisation) können Sondereffekte wie Abschreibungen auf Firmenwerte mitunter das Ergebnis verzerren.
Dennoch sollte jedem Mitarbeiter das EBIT bzw. die EBIT-Marge bekannt sein. Für die operative Aufgaben des Produktmanagers im Tagesgeschäft vor allem hinsichtlich der Bewirtschaftung seines Produktportfolios bietet das EBIT weniger Aussagekraft als die dargestellten Deckungsbeiträge. Da das EBIT nach Umlage der gesamten Unternehmensfixkosten vorliegt, verwässert die Aussage zu Herausforderungen im Portfolio unnötig bzw. es ergibt sich keine neue Erkenntnis über die Deckungsbeiträge hinaus.
Lagerumschlagshäufigkeit und Warenrotation
Wie erwähnt erheben außerhalb des Controllings auch andere Abteilungen KPI. Sofern das Portfolio in signifikanten Mengen gelagert werden muss, können für das Produktmanagement die KPI „Lagerumschlagshäufigkeit“ und „Warenrotation“ wichtig sein. Beide Kennzahlen werden in der Logistik erhoben und geben Aufschluss darüber, ob sich ein Produkt schnell oder langsam dreht. „Langsamdreher“ (Slow Mover) wirken kostentreibend, da sie zum einen per se Kapital binden und zum anderen zu erhöhten Lagerkosten führen. Ferner können bei gleichartigen Produkten die Langsamdreher eines Produktprogramms ein Indiz für Produkte sein, die der Markt nicht wie gewünscht annimmt. Könnten dies sogar mögliche Abkündigungskandidaten sein?
Die Lagerumschlagshäufigkeit misst in einer festgelegten Periode (z.B. in einem Monat) wie häufig das Lager komplett geleert und gefüllt, also umgeschlagen wird. Je geringer der Wert desto länger die Verweildauer. Die Warenrotation ergibt sich daher als weitere Kennziffer als Kehrwert aus der Lagerumschlagshäufigkeit. Den Zusammenhang findest Du in der Abbildung nochmals als Formeln dargestellt.

Ich empfehle, diese logistischen KPI zumindest initial hinsichtlich Bedeutung für Dein Portfolio zu prüfen. Sollte eine Aufnahme in das Monitoring Sinn machen, reicht meist eine Betrachtung längerer Zeitabschnitte (halbjährlich, jährlich).
Reklamationsquote
Als Geschäftsführer des verantworteten Sortiments ist ein Blick auf die Reklamationsquote sinnvoll, die das Verhältnis der reklamierten Artikel zu der Gesamtzahl der ausgelieferten Artikel wiedergibt. Ziel ist natürlich, die Quote so niedrig wie möglich zu halten, wobei eine Reklamation nicht nur in einem technischen Mangel begründet, sondern auch Folge einer falschen Verkaufsargumentation sein kann. Gerade bei neuen, komplexen Produkten mag es vorkommen, dass im Eifer des Gefechts Funktionalitäten verkauft wurden, die noch nicht implementiert sind. Verzögert sich die Entwicklung bzw. wird sogar entschieden, dass die bereits verkaufte Funktion nicht kommen wird, kann die Reklamation eines an sich voll funktionstüchtigen Produktes die Folge sein.
Wie auch Lagerumschlagshäufigkeit oder Warenrotation ein KPI, den Du in größeren Zeitabständen überprüfen solltest.
Won / Lost Order Analyse
Weder Kennzahl noch KPI im eigentlichen Sinn, es passt thematisch jedoch hierhin. Ich halte eine wiederkehrende Analyse der verlorenen, aber auch gewonnenen Aufträge zusammen mit dem Vertrieb für wichtig. Hier geht es weniger um die Anzahl oder Quote, sondern um die Gründe für gewonnene oder verlorene Aufträge. Beide Betrachtungen geben wertvolle Hinweise auf anzupassende Verkaufsargumente, fehlende Funktionen / Eigenschaften oder ein Pricing, das am Marktpreis vorbeigeht. Letzteres wird zwar häufig kolportiert werden, jedoch zeigen Erfahrungen, dass die Gründe vielschichtiger sind. Vielleicht ist sogar die falsche Vertriebslogik ein Grund?
Net Promoter Score (NPS)
Leser des Blogs wissen, dass der Net Promoter Score zwangsläufig als KPI bezüglich Kundenloyalität in dieser Übersicht auftauchen muss. Detailinformationen zum NPS erhältst Du sowohl in diesem Beitrag als auch hier. An dieser Stelle sei nur kurz erwähnt, dass der Net Promoter Score die Antwort auf die Frage nach der Wahrscheinlichkeit der Weiterempfehlung ist. Je höher der Wert, desto höher die Weiterempfehlungswahrscheinlichkeit und daraus abgeleitet die Loyalität. Da für mich Kundenzentrierung ein zentrales Element auf allen Unternehmensebenen ist, ist ein KPI hierzu eigentlich alternativlos. Regelmäßige Erhebung und angemessene Interpretationen zeigen entsprechend auf, ob das Maßnahmenpaket des Unternehmens Loyalität fördern oder ob man sich vom Kunden hinsichtlich Zufriedenheit und Loyalität entfernt.
Der „KPI-Tree“ – wenn aus einzelnen Indikatoren ein System wird
Klassisch bezeichnet der „KPI-Tree“ ein Baudiagramm, dass ein Ziel in Strategien, Taktikten und schließlich KPI auffächert. Kurz und knackig wird dies in diesem Blog beschrieben.
Ich möchte dem Begriff jedoch eine leicht angepasste inhaltliche Füllung geben, da ich häufig eine Diskrepanz zwischen den Unternehmenszielen und den Abteilungszielen feststelle. Ein idealer Zustand wäre für mich, wenn der Planungsprozess die Unternehmensziele für jede Abteilung ableitet. Nehmen wir an, dass ein Unternehmensziel eine Erhöhung des EBIT um 10% im Folgejahr ist. Spannend wäre es nun, wenn nicht nur jede Abteilung festlegen würde, wie sie dieses Finanzziel mit eigenen Taktiken und Aktivitäten umsetzt, sondern auch dezidiert die KPI benennt, die den Fortschritt der Einflussfaktoren auf das EBIT wiedergeben. Da das EBIT nach Abzug der Unternehmensfixkosten steht, wäre somit die Frage an jede Abteilung im Unternehmen zu stellen, ob und welche Einsparziele bestehen und wie konkret der KPI zur Messung aussieht. Dies böte somit auch Abteilungen, die weiter vom „Point of Sales“ entfernt sind, die Gelegenheit, einen unmittelbaren Einfluss auf den Unternehmenserfolg darzustellen.
Fazit
Auf dem Weg zu einer dergestalt vernetzten KPI-Systematik sind viele kleine Schritte zu gehen. Einige davon sind sofort und mühelos ohne große Abstimmungen gangbar. Wie misst Du als Produktmanager/-in den Erfolg Deines Portfolios? Hast Du Dich mit den Kollegen aus Controlling oder Logistik zu diesem Thema schonmal ausgetauscht? Warum nicht auf dem nächsten Abteilungsmeeting aktiv einen Vorschlag für ein gemeinsames Reporting vorstellen?
Es gibt sicherlich noch viele sinnvolle KPI, die genau für Dich in Deiner Rolle zutreffen, da diese wie mehrfach erwähnt abhängig von den Zielen sind. Beachte nur, dass Du Kennzahlen nicht mit Key Performance Indicators verwechselst. Es zählt zudem nicht der Umfang Deines Reportings, sondern welche Schlüsse und Maßnahmen Du aus einigen wenigen KPI ableitest.

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Kennzahlen und KPI, spannendes Thema, gut aufbereitet.
Eine Frage habe ich zu den Lagerkennzahlen. Durchschnittlicher Lagerbestand ist klar. Könnte es aber sein, dass bei der Formel für die Lagerumschlagshäufigkeit eigentlich die kumulierten Lagerabgänge eines Jahres (also die Jahressumme der Abverkäufe) durch den durchschnittlichen Lagerbestand dividiert werden müssten (das geht aus der Formelbeschriftung nicht klar hervor)? Oder, alternativ, dass bei der Formel Warenrotation als Zeitperiode nur 30 Tage genommen werden dürften? (Beispiel: d-LB = 20, Monatsabsatz = 18, LUH = 0,9 – Rotation 400 Tage – hieße, weniger als 1x pro Jahr nachbestellen? Das passt nicht – es muss zwar nicht jeden Monat, aber alle 33,3 Tage nachbestellt werden, sonst läuft das Lager leer).