Als Produkt- oder Business Manager/-in bist Du sicherlich zu einem gewissen Umfang an dem Planungsprozess im Unternehmen beteiligt. Wahrscheinlich wird von Dir sogar ein wesentlicher Beitrag, wenn nicht sogar ein selbst formulierter Strategieansatz erwartet. Die von der Harvard Business School in den 1960er-Jahren entwickelte SWOT-Analyse ist hierbei ein mächtiges und wertvolles Instrument, das wirklich jedem in Ausbildung, Studium oder Beruf begegnet ist.
Kurios ist nur, dass sie selten konsequent und fehlerfrei angewendet wird…
Anwendung, Risiken und Nebenwirkungen
Die SWOT-Analyse dient dazu einen Teil der Strategieentwicklung zu formalisieren und somit nachvollziehbar aufzubauen. Kern der Analyse bilden die vier Quadranten
- „Strengths“ (Stärken),
- „Weaknesses“ (Schwächen),
- „Opportunities“ (Chancen) und
- „Threats“ (Risiken).
Hierbei ist es absolut notwendig, sich bewusst zu machen, dass Stärken und Schwächen aus der internen Sicht gefüllt werden. Diese sogenannte Unternehmensanalyse fokussiert somit alleinig auf das Unternehmen und dessen Stärken und Schwächen. Externe Faktoren werden dagegen exklusiv mit der Umweltanalyse beschrieben, die sich in Chancen und Risiken niederschlagen.
Eine häufige Fehlanwendung ist tatsächlich die Vermischung von internen und externen Faktoren und die daraus resultierende falsche Einordnung. Die beispielhafte Aussage „der Markt öffnet sich immer mehr für unsere E-Modelle Nikolai X1 und Nikolai X3 “ wäre unter Stärken falsch abgelegt. Vielmehr wäre eine Trennung in die Chance „der Markt öffnet sich für E-Mobilität“ (externer Faktor) und die Stärke „unsere E-Modelle X1 und X3 sind technisch ausgereift“ (interner Faktor) wesentlich sinnvoller.
Im Bereich der Einschätzung von Stärken und Schwächen, also der internen Sicht, lauert die nächste Gefahr zur Fehlanwendung. Ich habe häufig die Erfahrung gemacht, dass hier Wunsch und Wirklichkeit vermischt werden. Dies bedeutet, dass in der Tendenz die Stärken überhöht und die Schwächen kleingeredet werden. Eine hierarchische Unternehmenskultur mag die „Schere im Kopf“ der Inputgeber zusätzlich fördern. Ich appelliere an Dich in der Begleitung für Sachlichkeit zu sorgen, da eine Strategie aufgrund nicht wahrheitsgemäß identifizierter Stärken und Schwächen hundertprozentig scheitern wird! Sollte beispielsweise in einem Workshop die Fantasie mit den Teilnehmern durchgehen, hilft der Diskussion bereits meist, wenn tatsächliche Beispiele für die Stärken und Schwächen genannt werden. Das dritte Risiko ist hiermit verwandt: eine SWOT-Analyse sollte nicht genutzt werden, um einen bereits formulierten Strategieansatz im Nachhinein zu rechtfertigen. Auch dies lässt sich hin und wieder im geschäftlichen Alltag beobachten, ist jedoch methodisch sinnlos und Zeitverschwendung.
Formulierung der Strategieansätze
Sobald die Quadranten gefüllt sind, beginnt die eigentliche Formulierung der Strategieansätze, indem interne und externe Elemente kombiniert werden:
- Kombination von Stärken und Chancen (SO-Ansatz „Ausbau“): Welche Stärken passen zu welchen Chancen? Wie lassen sich Chancen aufgrund der Stärken realisieren?
- Kombination von Stärken und Risiken (ST-Ansatz „Sichern“): Wie können Stärken genutzt werden, um drohende Gefahren abzuwenden?
- Kombination von Schwächen und Chancen (WO-Ansatz „Gleichziehen“): Welche Schwächen müssen behoben werden, um von Chancen zu partizipieren?
- Kombination von Schwächen und Risiken (WT-Ansatz „Vermeiden“): Wie kann das Unternehmen Gefahren umgehen? Was sollte vermieden werden?
Diese strategischen Ansätze werden anschließend mit Maßnahmen versehen, die wiederum die Umsetzung gewährleisten. Auch hier gilt „keine Maßnahme ohne Messung“, d.h. wie bei allen Aktionen sollte der Erfolg mit geeigneten Kennzahlen getrackt werden.
Generell kann ich die Erstellung der SWOT-Analyse in kleinen konzentrierten Workshops empfehlen. Je nach formuliertem Ziel bietet sich die Sammlung von Stärken und Schwächen mit Experten aus den wesentlichen Schnittstellen wie Vertrieb, Logistik etc. an. Die externen Faktoren sollten sich bereits aus Deiner Markt- und Wettbewerbsbeobachtung ergeben. Als weiteren Inputgeber solltest Du hier einmal mehr den Vertrieb miteinbeziehen. Wie angedeutet gelten die Regeln für effiziente Meetings, d.h. Du solltest nicht versuchen, die Quadranten in einem ganztägigen Meeting mit zig Teilnehmern gleichzeitig zu füllen. Effizienter und auch für die Organisation weniger belastend sind kleine kurze Workshops. Warum nicht auch informell während eines Frühstücks?

Und jetzt?
Auch ohne Auftrag zur Strategieentwicklung kannst Du die Methodik üben und verinnerlichen. Sammle in einem festgelegten Zeitraum Stärken und Schwächen (kollegialer Austausch, Flurfunk etc.) und halte Deine Markt- und Wettbewerbsbeobachtung aktuell. Versuche anschließen jeweils einen strategischen Ansatz zur formulieren, den Du z.B. in einem Teammeeting vorstellen kannst.