Ich habe noch nie ein Unternehmen kennengelernt, dass für sich nicht in Anspruch genommen hätte, absolut kundenorientiert zu sein. Der Kunde steht an erster Stelle, die Produkte sind auf die Bedürfnisse ausgerichtet und ein professionelles Team – allen voran die Vertriebsorganisation – ist 24/7 für den Kunden da. In der Eigenwahrnehmung mag dies der Fall sein, doch wie wertet die Kundschaft die Bemühungen? Während früher Zufriedenheit aus dem Mangel an Kritik oder einer geringen Reklamationsrate abgeleitet wurde, sind Unternehmen doch zunehmend daran interessiert die Zufriedenheit durch direktes Feedback oder sogar Kundenbefragungen zu erheben. Seltener habe ich jedoch in Unternehmen festgestellt, dass diese den nächsten Schritt gehen und den Grad der Loyalität erheben.
Kundenzufriedenheit und -loyalität – gibt es einen Unterschied?
Zufriedenheit und Loyalität werden zwar häufig synonym benutzt, sie sind jedoch klar voneinander zu trennen. Jeder hat vor Kauf eines Produktes oder einer Dienstleistung eine spezifische Erwartung an das Produkt. Durch Kauf und Nutzung sammeln wir nun Erfahrungen, die an diesen Erwartungen gespiegelt werden. Sofern Erfahrung und Erwartung sich decken, schlägt sich dies in Zufriedenheit nieder. Ein deutliches Auseinanderklaffen äußert sich dagegen in dem Gefühl der Unzufriedenheit. Loyalität geht jedoch noch einen Schritt weiter. Wie im menschlichen Miteinander geht es bei Loyalität um Treue. Wir kaufen ein Produkt gerne immer wieder, sind relativ unempfänglich für konkurrierende Marken und werben sogar mitunter für unsere Erfahrungen.
Loyale Kunden zeichnen sich nicht nur dadurch aus, dass sie wiederkehrende Käufer sind, sondern sie sind in aller Regel auch wesentlich weniger preissensitiv und bereit, mehr für verbundene Produkte und Dienstleistung auszugeben. Kurz gesagt sollten loyale Kunden unser Ziel sein und auf der Basis von zufriedenen Kunden aufbauen.
Wie kann Loyalität gemessen werden? Es wäre denkbar, den Anteil wiederkehrende Kunden in den Umsatzstatistiken festzustellen und deren Veränderung im Zeitverlauf zu messen. Ähnliches wäre auch für Daten im Bereich Cross- oder Upselling sicherlich ohne weiteres möglich. Dies würde jedoch nur ein sehr eingeschränktes Bild ergeben, da wir beispielsweise nichts über die Bereitschaft zur Weiterempfehlung oder über die Sichtweisen der loyalen und vor allem illoyalen Kunden erfahren würden.
Der Net Promoter Score*
Der Net Promoter Score (NPS) wurde Anfang 2003 von Fred Reichheld erdacht und zusammen mit Bain & Company und Satmetrix Systems, Inc. weiterentwickelt. Fred Reichheld gilt als einer der Vordenker im Bereich Kundenzufriedenheit und -loyalität und deren Auswirkung auf den Geschäftserfolg. Der von ihm erdachte Ansatz ist so simpel wie effizient. Im Rahmen der Loyalitätsmessung wird im NPS eine Frage gestellt, die auch als „ultimative Frage“ bezeichnet wird.
„Mit welcher Wahrscheinlichkeit würden Sie einem Freund oder Kollegen [Unternehmen, Produkt etc.] empfehlen?“
Die Befragten geben die Wahrscheinlichkeit ihrer Weiterempfehlung mit einem Wert zwischen 10 (höchste Wahrscheinlichkeit) und 0 (niedrigste Wahrscheinlichkeit) an. Anhand der gewählten Wahrscheinlichkeit wird der Befragte in einer von drei Kategorien eingeteilt:
- Eine Weiterempfehlungsbereitschaft mit den beiden höchsten Wahrscheinlichkeiten 9 oder 10 führt zur Kennzeichnung als „Promoter“. Der Promoter ist loyal und empfiehlt das Unternehmen (die Marke, das Produkt etc.) mitunter auch aktiv weiter. Man könnte ihn als Stammkunden bezeichnen, der sich u.a. durch Markentreue und geringe Preissensitivität auszeichnet.
- Wurde die Wahrscheinlichkeit mit 7 oder 8 beziffert, wird der Befragte als „passiv Zufriedener“ geführt. Wie die Eingruppierung bereits andeutet, kann zwar von Zufriedenheit ausgegangen werden, jedoch wird nicht unbedingt weiterempfohlen. Personen in dieser Gruppe können mit geeigneten Maßnahmen zu Promotoren entwickelt werden, sofern man sie ignoriert ist die Gefahr jedoch groß, dass sie im Laufe der Zeit in das Lager der Kritiker wechseln.
- Alle Wahrscheinlichkeiten in Höhe von 6 oder niedriger führen zur Einordnung als „Kritiker“. Weiterempfehlungen sind nicht zu erwarten, Wiederholungskäufe werden nicht getätigt sofern es Alternativen gibt. Teilweise liegt deutliche Unzufriedenheit vor, die im ungünstigsten Fall sogar in negative Mundpropaganda münden kann.
Zur Berechnung des NPS wird nun vom Anteil der Promotoren der Anteil der Kritiker abgezogen, die passiv Zufriedenen werden somit – zumindest in der Berechnung – ignoriert. Durch diesen einfachen Rechenschritt erhält man somit den Wert, mit dem die Promotoren die Kritiker übersteigen oder unterschreiten.

Möglichkeiten der Ausgestaltung
Auch wenn die ultimative Frage für die Ermittlung des NPS ausreicht, ist es sinnvoll, zumindest noch die Frage nach dem Grund für die angegebene Wahrscheinlichkeit als Freitext-Frage zu stellen. Hier finden sich erste wichtige Anhaltspunkte für Optimierungspotenzial.
In den von mir betreuten Befragungen wurde der Fragenkatalog um Fragen hinsichtlich Zufriedenheit mit verschiedenen Phasen der Einkaufserfahrung ergänzt. So hatten Kunden die Möglichkeit, beispielsweise ihre Zufriedenheit mit der Beratungsqualität oder dem Aftersales-Service anzugeben. Auch ein Votum für den stärksten Wettbewerber haben wir eingebaut. Aber, auch wenn die Verlockung groß ist, alle möglichen Fragen zu stellen, so sollte die Benutzererfahrung immer an erster Stelle stehen! D.h. die Befragung, die normalerweise online erfolgt, sollte nicht länger als fünf Minuten benötigen, um Abbrüchen vorzubeugen. Hier bietet sich die Nutzung von Weichen an, in denen der Befragte anfangs seine Rolle definiert, so dass im Anschluss nur Fragen gestellt werden, die für ihn beantwortbar sind. Arbeitet jemand beispielsweise in der Buchhaltung, so müssen keine Fragen zum Einkaufsprozess gestellt werden.
Direkter Kontakt mit Kritikern während der Befragung
Innerhalb der Befragung sind „Trigger“ ein mächtiges Instrument. Hierunter ist zu verstehen, dass eine Mail an eine (vertriebs-) verantwortliche Person ausgelöst wird, sobald ein definierter Schwellenwert (z.B. Wahrscheinlichkeit der Weiterempfehlung ≤ 6) unterschritten wird. Diese Mail enthält nicht nur die Kontaktdaten, sondern auch die Bewertung des Kunden, so dass bei Kontaktaufnahmen gezielt Unzufriedenheit angesprochen werden kann. Der Kontaktierende hat mit diesen Informationen die Aufgaben, sowohl das Problem genau zu spezifizieren als auch eine geeignete Lösung im Gespräch vorzuschlagen. Es wird hierbei empfohlen das Gespräch innerhalb der ersten 48 Stunden nach Wertung des Kunden zu suchen. Der Einwand, dass sich Kunden ggfls. beobachtet fühlen könnten, hat sich – für mich – in der Realität nicht bestätigt. Die Kunden waren in der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle äußerst positiv überrascht, dass ihre Antwort „gelesen und beherzigt“ wurde. Die Rekrutierung der Trigger-Verantwortlichen aus höheren Hierarchieebenen signalisiert zusätzlich die Ernsthaftigkeit der Befragung. Der Erfolg der Kontaktaufnahme sollte selbstverständlich ebenfalls getrackt werden.
Kundenloyalität ist Chefsache
Wenn wir bereits von Hierarchien sprechen, dann liegt mir doch sehr am Herzen, den NPS immer als Top-Projekt des Unternehmens verstanden zu wissen. Dies setzt die volle Unterstützung und auch die Mitarbeit der obersten Führungsebenen voraus. Wir werden sicherlich im wahren Leben keine Führungspersönlichkeiten antreffen, die die Meinung der Kunden als nachrangig einschätzen. Wir begegnen dementgegen jedoch in der Realität mitunter Entscheidern, die im Plan als Projektpaten ausgewiesen sind, jedoch nur über den erzielten Wert informiert werden möchten – alles andere ist in ihren Augen schon detailverliebt.
Wie sieht dagegen ernsthaftes Engagement aus? Zuerst sollte jeder Mitarbeiter über die Befragung im Vorfeld informiert werden, dies kann gerne aus der Unternehmensführung heraus erfolgen. Weiter ist es ratsam, die Kunden vor Befragung zu informieren. Dies ist nahezu Pflicht, sofern ein externer Dienstleister die Befragung durchführt – schon allein um die Verbindung zwischen Befrager und externem Dienstleister deutlich zu machen. Auch hier kann die Ebene der Entscheider bei Befragung gegenüber dem Kunden zusätzliche Aufmerksamkeit erzeugen. Trigger-Management bei niedrigsten Empfehlungen (z.B. ≤ 2) kann ebenfalls eine Aufgabe sein, die der Leitung zugeordnet wird. Eine tatkräftige Mitarbeit in den Lösungsworkshops (siehe hierzu mehr in Teil 2) ist obligatorisch.
Modus und Periodizität
Der NPS entfaltet deutlich mehr Sinnhaftigkeit, wenn die Befragung wiederkehrend stattfindet, um den Fortschritt und den Erfolg der abgeleiteten Maßnahmen bewerten zu können. Es kann entweder eine Befragung z.B. aller Kunden in einer Welle durchgeführt werden, oder die ultimative Frage wird bei bestimmten Geschäftsvorgängen gestellt („transaktional“). Im Zeitverlauf wird sich eine Mischung durchsetzen, da beide Ansätze Vor- und Nachteile haben. Eine Befragung aller oder zumindest möglichst vieler Kunden bietet sich an, um eine Bestandsaufnahme vorzunehmen. In der Folge sollte demnach ein Teil des Ursprungssamples weiterverwendet werden, da ansonsten der Effekt der eingeleiteten Maßnahmen schwerlich bestimmbar ist. Der Vorteil einer transaktionalen Befragung (z.B. bei einem bestimmten Geschäftsvolumen oder stichprobenartig) liegt in der Unmittelbarkeit. Dem Befragten ist die Leistung präsent und es kann ein direkter Zusammenhang zwischen Geschäftsfall und Weiterempfehlung hergestellt werden. Nachteilig ist jedoch, dass somit nur ein sehr begrenzter Personenkreis befragt wird, der Schlüsselpersonen im Einkaufsprozess nicht unbedingt erfasst (Stichwort Buying Center). Mitarbeiter in Buchhaltung, Logistik oder Geschäftsleitung werden in ihren Bereichen ebenfalls Kontakt zum Unternehmen und somit eine Meinung haben, die gehört werden sollte. Eine transaktionale Befragung erfasst somit wichtige Personen nicht unbedingt. Dies heilt wiederum eine Befragung ausgewählter Kundenkontakte in der eingangs genannten Befragungswelle.
Das beste Set-Up hilft jedoch nichts, wenn mit den Ergebnissen nicht zielführend umgegangen wird. Du findest in diesem Artikel einige Anregungen hinsichtlich des Follow-up der Befragung. Wir werden dazu nicht nur einen Blick auf Workshops werfen, sondern vor allem die Verwendung im vertrieblichen Alltag und die Kommunikation in Richtung Kunden beleuchten.

*NPS®, Net Promoter® und Net Promoter® Score sind eingetragene Marken von Satmetrix Systems, Inc., Bain & Company und Fred Reichheld.

Lade Dir hier den Spickzettel zu diesem Artikel herunter!