Du hast im ersten Teil einiges über die Methodik und die Ausführung des Net Promoter Scores* (NPS) lesen können. Dort habe ich bereits das Engagement betont, das für eine erfolgreiche Umsetzung notwendig ist. Engagement und ein echtes Interesse an der Verbesserung der Kundenerfahrung sind die beiden wesentlichen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Nachbearbeitung des NPS. Die Kundenbeziehung ist zu wertvoll, um in halbherzigen Meetings aufs Spiel gesetzt zu werden. Wenn keine Bereitschaft besteht, sich selbstkritisch mit dem Grad der eigenen Kundenorientierung auseinanderzusetzen oder auch bereits initiierte Maßnahmen im Licht der Ergebnisse zu hinterfragen, so rate ich davon ab, weiter in diese Richtung zu gehen. Für die Halbherzigen ist ein „weiter wie bisher“ tatsächlich besser, denn es ist wirklich nichts fataler, als einen Kunden um seine Meinung zu bitten, diese (mit dem unausgesprochenen Wunsch nach Verbesserung) zu erhalten und sie dann zu ignorieren.
Wenn aber Kundenorientierung für Dich und Dein Unternehmen mehr als ein Lippenbekenntnis ist, dann lies weiter und bekomm einige Anhaltspunkte dafür, wie Du mit den Ergebnissen – auch im vertrieblichen Alltag – zielführend umgehst.
Sinn und Zweck eines Lösungs-Workshops
Die Analyseergebnisse liegen vor und zeigen in einigen wenigen Bereichen beginnende Unzufriedenheit, die sich ggfls. auch auf den erzielten Score ausgewirkt hat. Zudem finden man in etlichen Kommentaren Hinweise auf Verbesserungspotential aus Kundensicht, zudem bestehen regionale Unterschiede im Vertriebsgebiet. Dies könnte die Ausgangsposition für einen Workshop sein.
Der besagte Lösungs-Workshop hat nun schlicht das Ziel, Lösungsangebote an die Kunden zu entwickeln, die direkt den Schmerzpunkten begegnen. Hierdurch soll dauerhaft erhöhte Zufriedenheit und somit schlussendlich Loyalität erzeugt werden.
Anforderungen an die Teilnehmer
Die erste Voraussetzung, die sich hieraus ergibt, ist, dass die Teilnehmer auch das Mandat besitzen, Lösungsangebote zu entwickeln und umzusetzen. Dies mag auf den ersten Blick eine Binsenweisheit sein, jedoch zeigt die unternehmerische Realität häufig, dass Lösungsvorschläge nicht umgesetzt werden, weil die Entscheider nicht direkt im Prozess eingebunden waren. Wesentlich effizienter ist daher, Entscheidungsträger direkt im Workshop einzubinden, um eine zeitnahe Umsetzung ohne unnötige Freigabeschleifen zu garantieren.
Im Sinne eines effizienten Meetings sollte die Teilnehmeranzahl einstellig bleiben, wobei Entscheider aus den betroffenen Bereichen Vorrang haben. Zeichnet sich ein Entwicklungsfeld im Vertrieb an, wäre somit die Vertriebsleitung erster Ansprechpartner. Im Workshop sollte jedoch auch Wissen über angrenzende Bereiche (also nicht nur über den Außen- sondern auch über den Innendienst) sowie über die systemseitige Abbildung vorhanden sein. Häufig werden Lösungsangebote auf die interne Prozess- und Systemlandschaft ausstrahlen. Sollte die Teilnehmerzahl zu groß werden, ist es besser, interne Experten punktuell einzubinden.
Die Einstellung entscheidet
Wie eingangs erwähnt ist das richtige Mindset essenziell. Eine vorbehaltslose Auseinandersetzung mit der Kundenmeinung und die Bereitschaft, Teile der bisher gelebten Praxis in Frage zu stellen, sind absolut notwendig, um zu zielführenden Lösungen zu gelangen. Nach meinen Beobachtungen ist das mit Abstand größte Risiko, dass Teilnehmer/Entscheider reflexartig versuchen, bereits erdachte oder sogar initiierte Maßnahmen nachträglich als passende Lösungen zu verkaufen. Hier wird mitunter die Kundenwertung verzerrt, um sie an den bereits erdachten Ansatz anzupassen. Tue dies nicht und zeige Rückgrat, wenn die Diskussion in diese Richtung abdriftet! Eine Maßnahme, die keinen Effekt haben wird, richtet in aller Regel intern wie extern nur Schaden an. Auch wenn es schwer ist, ist es ein Muss, dass die Teilnehmer in der Lage sind von ihrer Aufgabe zu abstrahieren und die Position eines Kunden einzunehmen. Die häufig gemachte Aussage, dass „wir in dem Bereich schon viel anbieten und eigentlich doch ganz gut sind“ gilt nicht, wenn der Kunde es anders sieht. Man mag noch so überzeugt von der eigenen Leistungsfähigkeit sein, die Bewertung wird jedoch allein vom Kunden vorgenommen.
Priorisierung der Lösungsansätze
Weniger ist mehr – auch bei den Lösungen. Es ist in der Regel einfacher, eine kleine Anzahl von Maßnahmen umzusetzen als zu versuchen, alle Flanken gleichzeitig zu schließen. Priorisiere die Kundenprobleme ebenso wie die Ansätze mit beispielsweise folgenden Fragen:
- Wie groß ist die Bedeutung des kritisierten Punktes (finanziell und/oder strategisch)?
- Wie stark zahlt das Thema auf die Kundenorientierung ein?
- Wie komplex und aufwendig ist die Implementierung der Lösung?
Nach erfolgter Installation ist immer noch Zeit und Möglichkeit, weitere Maßnahmen auszuprobieren. Natürlich sollte es hierzu eine verbindliche Planung, zugeordnete Verantwortlichkeiten und eine Vorstellung geben, wie der Erfolg gemessen wird. Hier kann der transaktionale NPS für eine kleinere Gruppe sinnvoll sein.
Nutzung des NPS im vertrieblichen Alltag
Natürlich muss nicht auf den Workshop und die Implementierung der verabredeten Lösungsansätze gewartet werden, um den NPS sinnvoll zu nutzen. Ein mit den Antworten seines Kunden ausgestatteter Vertrieb hat großartige Möglichkeiten, die Kundenbeziehung im direkten Dialog zu stärken. Nach Dank für die Teilnahme kann direkt über das vom Kunden empfundene Problem gesprochen werden. Für Kritiker versteht sich das Vorgehen von selbst, wie kann ich jedoch bei „passiv Zufriedenen“ vorgehen? Nun, man könnte beispielsweise direkt erfragen, was getan werden müsste, um sie oder ihn zu einem Promotor zu machen. Auch der Dank an Promotoren für Teilnahme und Wertung wird die Beziehung – auf bereits hohem Niveau – stärken.
Wie im Eingangsartikel zum Net Promoter Score erwähnt, ist es interessant, auch nach der Leistungsfähigkeit des Wettbewerbs zu fragen. Hier ergibt sich sicherlich, dass der jeweilige Konkurrent in Teilbereichen aus Kundensicht performanter abschneidet. Dies ist eine ideale Möglichkeit, um ein tiefergehendes Gespräch mit dem Kunden zu führen. Was mach der Wettbewerb besser? Worin unterscheidet sich sein Angebot? Die Indizien, die sich bereits aus der Nennung des Wettbewerbs zu z.B. Marktanteilen ergeben, sollten unbedingt verwertet werden. In diesem Artikel findest Du eine Erklärung des sogenannten Buying Centers. Hier kann der ermittelte Score bestens eingearbeitet werden. Es gibt noch eine Vielzahl weiterer positiver Nebeneffekte und sei es nur, dass der Anteil der unzustellbaren Einladungen („bounced mails“) einen wichtigen Eindruck zur Datenqualität des Kundenstamms liefert. Sollte im Unternehmen ein CRM-System genutzt werden, dann ist die Hinterlegung der Daten im Kundenstamm absolut zu empfehlen. Selbst wenn es (noch) kein System gibt, so existiert kein Grund, den Vertrieb nicht mit dieser wertvollen Information auszustatten. Natürlich gilt wie immer, dass die Interaktion mit dem Kunden zum Thema NPS wie jeder andere Besuch dokumentiert werden sollte. Die mit Abstand schlechteste Entscheidung wäre, nichts mit der Kundenrückmeldung anzustellen!
Tue Gutes und rede darüber!
Wer kennt es nicht, man nimmt sich die Zeit, an einer Befragung teilzunehmen und dann hört man … nichts? Das Gefühl beschleicht einen, dass die Zeit auch besser verwendet hätte werden können, und überhaupt wird bei der nächsten Anfrage die Bereitschaft zur Teilnahme schon wesentlich geringer ausfallen.
Auch aus diesem Grund ist es Pflicht, den Net Promoter Score kommunikativ zu begleiten. Ein idealer Zeitpunkt sowohl für die Innen- als auch für die Außenkommunikation ist ein Termin zeitnah nach dem erfolgreichen Lösungsworkshop. Warum? Kaum etwas dokumentiert den verantwortungsvollen Umgang mit der Kundenmeinung so deutlich, wie die Nennung eines Verbesserungsfeldes und der damit verbundene Lösungsvorschlag, der implementiert werden soll. Es zeigt, dass die abgegebene Wertung eben nicht im Nirvana der Meinungsforschung aufgeht, sondern dass sich konkrete Änderungen ergeben, die für den Kunden erfahrbar gemacht werden. Der Kunde hat somit seinen direkten Anteil an der Verbesserung. Dies signalisiert natürlich nicht nur die Wertschätzung in Richtung Kundschaft, sondern wird auch zu zukünftig wiederholten Teilnahmen animieren. Als Content im Webauftritt oder Artikel in der Kundenzeitschrift werden auch diejenigen motiviert, die in der abgeschlossenen Befragung noch keine Lust zur Teilnahme hatten.
Offen und authentisch kommunizieren
Ich bin ein großer Verfechter von offener und vor allem authentischer Kommunikation, so dass ich auch immer die Einordnung des Ergebnisses empfehle. Hier muss sicherlich nicht der Wert genannt werden, der ohne Kenntnis der Methodik ohnehin schwer einzuordnen wäre, sondern es reicht vollkommen die Aussage, inwieweit das Ergebnis vom eigenen Anspruch abweicht. Ein Beispiel, bei dem die Wertung nicht dem eigenen Anspruch entspricht, nebst Nennung der erdachten Lösung werden die Kommunikation aus Kundensicht deutlich positiv hervorheben. Im Hinblick auf zukünftige Befragungen sollte an dieser Stelle bereits für die Teilnahmen geworben werden. Immerhin hat man gerade deutlich gemacht, dass die Teilnahme spürbare Veränderungen auslösen kann.
Die interne Information sollte bei aller Kundenzentrierung nicht vergessen werden, da grundsätzlich alle Mitarbeiter mittel- oder unmittelbar an der Kundenerfahrung beteiligt sind. Ein gutes Ergebnis wird einen positiven Effekt auf die Verbundenheit zum Unternehmen haben. Eine Bewertung mit viel Raum für Verbesserung zeigt zumindest deutlich, dass die Notwendigkeit zur Veränderung besteht, immerhin wird das Zeugnis vom Kunden ausgestellt. Ein weiterer Nebeneffekt ist, dass auch die Belegschaft animiert wird, Ideen zu entwickeln, die die Kundenzufriedenheit nachhaltig steigern.
Politik hat im NPS nichts zu suchen
Ein absolutes No-Go ist für mich die „politische“ Nutzung im Rahmen der Führung. In dunklen Momenten kommt schonmal jemand auf die Idee, positives Kundenfeedback (in Teilbereichen) nicht zu veröffentlichen, um „den Druck zur kontinuierlichen Verbesserung auf die Belegschaft aufrechtzuerhalten“. Dieses Ansinnen habe ich – wenn auch sehr selten – erleben müssen. Sollten Dir diese Gedanken kommen, dann unterdrücke sie. Kommen diese Gedanken anderen, dann unterdrücke sie. Kundenfeedback sollte weder instrumentalisiert werden noch zeugt dieser Ansatz von einem Grundverständnis bezüglich Mitarbeiterkommunikation und Führung. Letztlich ist es der Gegenentwurf zu wertschätzender Führung und sollte keinen Raum in einem Unternehmen haben. Punkt.
Da jedwede Kommunikation zeitnah nach dem Workshop erfolgen sollte, ist eine zügige und fokussierte Umsetzung des NPS notwendig. Einmal mehr der Hinwies, dass dies kein Programm ist, das nebenherläuft, sondern eine der wesentlichen Aktivitäten in einem Geschäftsjahr mit entsprechender Aufmerksamkeit der Führungsebene sein sollte.
Eignung des NPS in der variablen Vergütung
Zum Abschluss noch einige Worte zur Frage, ob der NPS Teil des variablen Gehaltsbestandteiles sein sollte. Dies wird auch unter Anhängern der Methodik teilweise erbittert diskutiert. Ich persönlich würde zumindest in den ersten Jahren davon absehen, da der Umgang mit dem System als solchem und die Konsequenz hinsichtlich der Aktionen für viele Unternehmen neu sein dürfte. Erst wenn eine Gewöhnung im Unternehmen eingetreten ist und die Mechanismen, die auf Kundenzufriedenheit wirken, verstanden wurden, kann über eine Rolle in der variablen Vergütung nachgedacht werden. Auf der anderen Seite bin ich Freund eines Bonus, wenn es um das Follow-Up geht. Eigentlich sollte die Erledigung des Trigger-Managements oder die vertriebliche Aufarbeitung selbstverständlich sein. Sofern die unternehmerische Kultur dies nicht ohne weiteres hergibt, ist meiner Meinung nach ein Anreiz gerechtfertigt, denn kaum etwas ist schädlicher, als nicht mit dem Feedback zu arbeiten!

*NPS®, Net Promoter® und Net Promoter® Score sind eingetragene Marken von Satmetrix Systems, Inc., Bain & Company und Fred Reichheld.

Lade Dir hier den Spickzettel zu diesem Artikel herunter!